Regierungsplan für Ausfälle : Kein Geld, nur Gutschein
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Die britische Sängerin Dua Lipa hätte im Mai unter anderem in Köln auftreten sollen, nun ist ein Termin im kommenden Jahr geplant. Bild: dpa
Viele Insolvenzen seien gerade noch verhindert worden, kommentieren Branchenvertreter die Gutscheinlösung der Bundesregierung. Kunden erhalten für Ausfälle kein Geld, sondern Gutscheine. Verbraucherschützer sprechen von „Zwangskrediten“.
Die Bundesregierung hat den Weg freigemacht dafür, dass Kunden für abgesagte Reisen, Flüge sowie Kultur- und Sportveranstaltungen Gutscheine statt einer sofortigen Rückzahlung bekommen. Die Gutscheine sollen bis Ende 2021 befristet sein und für alle Tickets gelten, die vor dem 8. März gekauft wurden – also nicht mehr für Kunden, die im Zeichen der Corona-Krise buchten. Hat der Kunde seinen Gutschein bis Ende 2021 nicht eingelöst, sollen Veranstalter den Gutscheinwert erstatten müssen, zudem sind Härtefallregelungen mit Blick auf die Ticketkäufer vorgesehen. Für abgesagte Pauschalreisen ist bislang eine Erstattung nach 14 Tagen fällig, für Flüge innerhalb von 7 Tagen.
Die Regelung muss noch von der EU-Kommission abgesegnet werden. Für reine Flugtickets hatte die EU-Kommission erst Mitte März erklärt, dass Passagiere für Ausfälle in der Corona-Krise zwar keine Entschädigungen einfordern könnten, wohl aber die Auszahlung der Ticketpreise. Diese Klarstellung von 18. März müsste die EU-Kommission nun überarbeiten, damit die deutsche Entscheidung für Flugtickets umgesetzt werden kann. Mit Blick auf Kultur- und Sportveranstaltungen genügt hingegen eine Änderung nationalen Rechts, da sich hier die Erstattungspflicht aus den allgemeinen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs ergibt, wie es in der Mitteilung der Regierung heißt.
Der tourismuspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Marcel Klinge begrüßte die „überfällige Entscheidung zur Gutscheinregelung im Tourismus und der Kulturwirtschaft“. Zur Not müsse die Bundesregierung den Mut haben, die Regelung auch vor Zustimmung der EU-Kommission auf den Weg zu bringen. Von den Grünen hieß es hingegen, eine Gutscheinlösung dürfe es nur als freiwillige Option geben. „Eine Gutscheinpflicht ist zum einen europarechtlich fragwürdig, da sie nicht mit der EU-Pauschalreiserichtlinie vereinbar ist, zum anderen ist sie auch ökonomisch problematisch, denn nicht alle Verbraucherinnen und Verbraucher werden auf die Rückzahlung verzichten können“, sagte Markus Tressel.
Für Pauschalreisen geht der Bund einen Weg, den zuvor ein Rechtsgutachten der Kanzlei Beiten Burkhardt, dass der F.A.Z. vorliegt, als „geboten“ bezeichnet hatte. Es soll nicht nur Gutscheine für ausgefallene Reisen geben, sondern auch eine Absicherung dieser Gutscheine gegen die Insolvenz der Reiseanbieter, die möglicherweise durch staatliche Rückversicherungen sichergestellt werden soll.
„Gerade noch rechtzeitig“
Das Gutachten hatte den Bund in der Pflicht gesehen, den Wert der Gutscheine abzusichern wegen einer „„nicht europarechtskonforme Umsetzung“ der EU-Pauschalreiserichtlinie in Deutschland. Die war im Zuge der Thomas-Cook-Insolvenz im September 2019 offenbar geworden. Die deutsche gesetzliche Absicherung reichte nicht aus, um die Forderungen aller betroffenen Kunden zu bedienen.
Seitdem ist das deutsche Reiserecht aber nicht korrigiert worden. Im Falle einer Insolvenz von weiteren Reiseveranstaltern würde somit genau das gleiche Szenario wie nach dem Aus von Thomas Cook drohen. Für den Staat, der dann einspringen müsste, käme das teurer als Hilfsmaßnahmen mit einer Absicherung von Gutscheinen.
Der Deutsche Reiseverband (DRV) begrüßte die Entscheidung der Bundesregierung. Sie komme „gerade noch rechtzeitig“. Eine sofortige Rückzahlungspflicht an die Kunden hätte sehr viele Unternehmen in die Insolvenz getrieben. „Ich bin erleichtert, dass diese politische Einigung zwischen den Ministerien zustande gekommen ist“, sagte DRV-Präsident Norbert Fiebig. Jetzt komme es darauf an, dass die Bundesregierung in Brüssel durchsetzt, dass die EU-Kommission die Rückerstattungsregelung aus der EU-Pauschalreiserichtlinie entsprechend aussetzt. Andere EU-Länder hätten eigene Gutschein-Lösungen schon umgesetzt.
Das Rechtsgutachten hatte für den Fall gewarnt, dass es keine Gutschein-Lösung gibt: Die Existenz der Reiseveranstalter und weiterer Unternehmen sei schon „in den nächsten Tagen“ gefährdet. „Es droht ein Zusammenbruch der gesamten Reisebranche.“ Die Erstattungsansprüche der Verbraucher von mindestens 3,5 Milliarden Euro allein für die nächsten Wochen überträfen bei weitem die vorhandene Liquidität, heißt es. Reiseveranstalter hätten das Geld aus Anzahlungen und Restraten der Kunden für Reisen nicht komplett in ihren Kassen. Sie hätten es mitunter schon an die sogenannten Leistungsträger weitergegeben, also an Fluggesellschaften und Hoteliers.