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Biontech : Die Corona-Goldgrube leert sich

Neuer Schwerpunkt: Biontech entwickelt Krebstherapie. Bild: Action Press

Die Jahre zweistelliger Milliardenumsätze sind für den Mainzer Impfstoffhersteller erst einmal vorbei. Jetzt richten sich die Hoffnungen auf Krebstherapien.

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          Während Corona für Biontech ein Milliardengeschäft bleibt, allerdings ein stark rückläufiges, sieht der Impfstoffhersteller seine Zukunft in einem anderen Bereich. Der Kampf gegen Krebs spielt für das Biotechunternehmen eine immer größere Rolle. Das wurde am Montag deutlich, als der Vorstandsvorsitzende und Mitgründer Ugur Sahin die Bilanzzahlen für das gerade abgeschlossene Geschäftsjahr 2022 vorstellte. „Im Jahr 2023 und darüber hinaus wollen wir weiter in unsere Transformation investieren, wobei wir uns auf den Aufbau kommerzieller Kapazitäten in der Onkologie konzentrieren und auf Zulassungsstudien hinarbeiten“, erläuterte Sahin. Mittelfristiges Ziel sei die Zulassung mehrerer Onkologieprodukte in Krebsindikationen mit hohem medizinischen Bedarf.

          Thiemo Heeg
          Redakteur in der Wirtschaft.

          Geschäftlich muss Biontech, das in Mainz in der Straße „An der Goldgrube“ residiert, in diesem Jahr voraussichtlich erst einmal deutlich kleinere Brötchen backen. Die Jahre zweistelliger Milliardenumsätze sind vorbei. Nach Gesamterlösen von 19,0 Milliarden Euro 2021 und 17,3 Milliarden Euro 2022 erwartet man in diesem Jahr Einnahmen aus Covid-19-Impfstoffumsätzen von rund fünf Milliarden Euro. Dazu kommen möglicherweise noch Erlöse im Bereich Forschung und Entwicklung aus eventuellen Meilensteinzahlungen. Diese waren auch 2021 und 2022 angefallen, sie bewegten sich allerdings mit jeweils etwas mehr als 100 Millionen Euro in einem überschaubaren Rahmen.

          Ein Minus von 70 Prozent

          Dass die Erlöse nun voraussichtlich um rund 70 Prozent einbrechen, klingt zunächst dramatisch, ist aber nachvollziehbar. Die Fünf-Milliarden-Euro-Umsatzprognose basiert dem Unternehmen zufolge auf mehreren Annahmen. Unter anderem wandelt sich demnach gegenwärtig das Marktumfeld. Statt attraktiven Einkaufsverträgen zwischen Regierungen und Impfstoffherstellern zählen nun kommerzielle Marktbestellungen. Die geschätzten Erlöse für den Covid-19-Impfstoff spiegelten die erwarteten Lieferungen im Rahmen bestehender oder zugesagter Lieferverträge wider sowie erwartete Verkäufe im Rahmen herkömmlicher kommerzieller Bestellungen, hieß es.

          Biontech zufolge wird aktuell der bestehende Liefervertrag mit der Europäischen Kommission abermals verhandelt. Es bestehe die Möglichkeit, dass die Auslieferungen von Impfstoffdosen über mehrere Jahre gestaffelt würden beziehungsweise eine Mengenreduzierung erfolgen könnte. „Während eine erhöhte Nachfrage infolge einer Impfstoffadaption angenommen wird, werden weniger Erstimpfungen und eine niedrigere Quote für Auffrischungsimpfungen innerhalb der Gesamtbevölkerung erwartet“, schilderte der Hersteller die gegenläufigen Geschäftstrends. Er geht von einer saisonalen Nachfrage aus, wodurch sich die erwarteten Umsätze „deutlich in die zweite Jahreshälfte“ verschieben würden.

          Zwei Milliarden Impfstoffdosen

          Für 2022 hat Biontech nach eigenen Angaben rund zwei Milliarden Corona-Impfstoffdosen in Rechnung gestellt, einschließlich rund 550 Millionen Dosen der an die Omikron-Variante angepassten bivalenten Impfstoffe. 2021 hatte Biontech mit dem Partner Pfizer mehr als 2,6 Milliarden Dosen ausgeliefert. Aus einem Umsatz von 17,3 Milliarden Euro ergab sich für die Mainzer im vergangenen Jahr ein Nettogewinn von 9,4 Milliarden Euro (2021: 10,3 Milliarden Euro). Den eigenen Marktanteil bezifferten sie mit mehr als 60 Prozent. Größter Konkurrent Biontechs im Bereich der mRNA-Impfstoffe ist das amerikanische Unternehmen Moderna .

          Finanzchef Jens Holstein sprach von einem „weiteren starken Finanzergebnis“ des Unternehmens. Der Erfolg 2022 biete eine optimale Ausgangsposition, um die Weiterentwicklung der klinischen Pipeline zu beschleunigen. Neben Corona-Impfstoffen setzt Biontech auf die Erforschung von Ansätzen in der Immuntherapie auf Basis des Botenmoleküls mRNA bei der Bekämpfung von Infektions- und Autoimmunkrankheiten sowie Krebs.

          Aktienkurs am Zwölfmonatstief

          Für künftige Onkologieprodukte möchten die Mainzer in diesem und im kommenden Jahr eine Vertriebsorganisation in Amerika, der EU und anderen Regionen aufbauen. Insgesamt hat der Konzern in der Onkologie derzeit 20 Programme in 24 laufenden klinischen Studien sowie sechs Programme bei Infektionskrankheiten in zehn klinischen Studien. In der dritten Phase befindet sich davon derzeit nur ein mRNA-Grippeimpfstoff, der an Pfizer auslizenziert wurde.

          Insgesamt will Biontech dieses Jahr in Forschung und Entwicklung 2,4 bis 2,6 Milliarden Euro investieren. Ein Teil des Milliardengewinns soll in ein weiteres Aktienrückkaufprogramm im Umfang von bis zu einer halben Milliarde Dollar fließen, nachdem der Konzern zuletzt schon eigene Papiere für 1,3 Milliarden Dollar zurückgekauft hatte. An der Börse verlor der Biontech-Kurs rund 4 Prozent. Die Aktie bewegt sich nun in der Nähe eines Zwölfmonatstiefs.

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