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Impfstoff-Hersteller : Biontech wehrt sich gegen Wucherpreis-Berichte

  • Aktualisiert am

Will sich von Ehrungen nicht lähmen lassen: Ugur Sahin, Medizinprofessor und Gründer des Pharmaunternehmens BioNTech Bild: dpa

Wollte Biontech die EU mit einem Wucherpreis von 54,08 Euro je Dosis über den Tisch ziehen? Der Chef des Mainzer Impfstoffherstellers weist das entschieden zurück – und erklärt die erste Preisberechnung.

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          Das Mainzer Pharmaunternehmens Biontech wehrt sich gegen Berichte, von der EU zunächst einen zu hohen Preis für den entwickelten Corona-Impfstoff verlangt zu haben. NDR, WDR und „Süddeutsche Zeitung“ hatten berichtet, dass Biontech und sein amerikanischer Partner Pfizer im Juni für den von ihnen entwickelten Impfstoff 54,08 Euro pro Dosis verlangt hätten. Erst im November einigten sich beide Seiten mit der EU den Recherchen zufolge auf 15,50 Euro pro Dosis. Viele zogen daraus den Schluss, dass Biontech zunächst einen drei Mal höheren Wucherpreis verlangt hatte. Die sehr späte Bestellung der EU – wofür diese seit Wochen heftig kritisiert wird – hätte in dieser Lesart eine gewisse Berechtigung gehabt, schließlich konnten die Brüsseler Beamten den Preis offenbar erheblich drücken.

          Diese Art der Deutung will sich Biontech-Gründer Ugur Sahin jedoch nicht gefallen lassen. Der „Bild“-Zeitung sagte er nun: „Es war Anfang, Mitte Juni und es war unsere erste Preisberechnung mit einer großen Reihe von Unbekannten.“ Der Impfstoff sei anfangs nur in kleinen Mengen für die klinischen Studien hergestellt worden. Für 2000 Dosen seien damals Kosten von 1,5 Millionen Euro angefallen. „Die Infrastruktur für die Massenproduktion gab es nicht“, so der Biontech-Gründer. „Wir wussten zum damaligen Zeitpunkt schlicht noch nicht, wie sich die Produktion genau skalieren lässt, was genau die Studien bezüglich der mRNA-Dosierung ergeben und wie die Produktionsabläufe und Kosten genau sein werden.“

          Eine eigene „große Produktion wie das Marburger Werk war auch nicht in Sicht“, fügte Sahin hinzu. „Als wir wussten, wie wir Kosten senken und die Skalierung aufbauen können, haben wir in kürzester Zeit – keine drei Wochen später – ein neues Angebot zusammen mit Pfizer erstellt.“

          „Die ersten Zahlen waren nicht das echte Angebot“

          Im Juli sei für alle Industriestaaten mit entsprechend großen Bestellmengen ein neues Preismodell berechnet worden, sagte Sahin der „Bild“-Zeitung. „Die Preise lagen je nach Bestellmenge zwischen 30 und 15 Euro“, fügte er hinzu. „Am 22. Juli haben wir den USA-Vertrag auf Basis der neuen Parameter unterschrieben, aus dem die 19,50 Dollar ersichtlich waren. Dieses Preismodell haben dann alle Industriestaaten erhalten.“

          Zur Verteidigung des Biontech-Gründers verweist die „Bild“ auch auf Informationen „aus Kreisen der Bundesregierung“. Demnach war „allen klar, dass die ersten Zahlen nicht das echte Angebot war sondern eine Wasserstandsmeldung“. Brüssel selbst habe Biontech gedrängt, Zahlen zu nennen. Und das vermeintliche Wucherangebot habe nicht etwa die EU ausgeschlagen. Vielmehr habe Biontech selbst schnell ein neues Angebot gemacht. Nach dieser Lesart wären die Informationen über den Preis von 54,08 Euro von Brüssel bewusst gestreut worden, um von der sehr zögerlichen Bestellung der EU abzulenken.

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          Der neuartige mRNA-Impfstoff von Biontech und Pfizer war am 21. Dezember in der EU zugelassen worden. Die EU-Kommission hatte im Herbst 300 Millionen Dosen des Präparats bestellt. Im Februar sicherte sich die EU bis zu 300 Millionen weitere Impfdosen.

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