Hilfe für Farbenblinde : Damit 350 Millionen Menschen sich besser zurechtfinden
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Manchmal wird es nicht nur dem Farbenblinden zu bunt. Bild: Coloradd
Ein Designer hat ein System entwickelt, mit dem sich Farbenblinde zum Beispiel in U-Bahnen und Krankenhäusern zurechtfinden. Immer mehr Unternehmen kooperieren mit ihm.
Wo finde ich die Linie zum Stadtzentrum?“ „Die grüne Linie ist die, die Sie suchen“, erwidert der Angestellte der U-Bahn in Porto. Dem farbenblinden Tomás Roll hilft das allerdings nicht weiter. Für ihn sind alle Bahnlinien in etwa derselben Farbe. Der achtzehnjährige Schüler schaut auf die Karte an der Wand der U-Bahn-Station und versucht zu verstehen, welche der Linien die grüne ist. Doch auch die Karte hilft ihm nicht.
Oder doch? An den Stationen, an denen eine U-Bahnlinie anfängt oder endet, findet er ein kleines Symbol. Dieses Symbol variiert von Linie zu Linie. Er merkt sich das kleine Zeichen, dreht sich um und findet auf dem anderen Bahnsteig ein Schild, auf dem dasselbe Symbol zu sehen ist. Er schaut begeistert wieder auf die Karte, auf der sich links unten ein wohl buntes Logo befindet, neben dem „ColorADD“ steht – das portugiesische „Farbenalphabet“ hat Roll das Leben deutlich erleichtert.
Die Farbenblindheit habe seine ersten künstlerischen Leistungen in der Schule beeinträchtigt, erzählt der junge Mann. „In der Grundschule musste ich einmal eine Kartoffel ausmalen. Dafür bekam ich eine glatte Sechs. Ich hatte sie rot ausgemalt. Dann hat meine Mutter der Lehrerin erklärt, dass ich farbenblind sei. Und ich bekam eine Zwei plus.“ Kleidung kaufe er immer mit seiner Mutter. „Damit sich die Farben nicht beißen.“ Insgesamt stießen Farbenblinde gegen viele Hindernisse, berichtet Roll.
350 Millionen Farbenblinde
„Farbe für alle“ lautet das Motto des Sozialunternehmens Coloradd, das der portugiesische Designer Miguel Neiva 2010 in Porto gegründet hat. „Coloradd erlaubt Farbenblinden, Farben zu identifizieren, immer wenn sie ein Entscheidungs-, Orientierungs- oder Identifikationsfaktor sind“, erklärt der Designabsolvent des College of Art and Design in Porto. Mit sechs Jahren habe er einen farbenblinden Freund gehabt, der deswegen von Spielen ausgeschlossen worden sei. Diese Erfahrung habe ihn dazu gebracht, in seiner Masterarbeit an der Universidade do
Minho im Norden Portugals ein universales Farbenalphabet zu entwickeln. Die „Sprache“ zur Identifizierung von Farben sollte nicht nur seinem Freund bei der Integration in die Gesellschaft helfen, sondern nach Angaben des Sozialunternehmers möglichst vielen der etwa 350 Millionen Menschen, die auf der Welt unter Farbenblindheit leiden. „Etwa 10 Prozent der männlichen Weltbevölkerung und 0,5 Prozent der weiblichen ist farbfehlsichtig“, berichtet der 47-Jährige.
In einer Umfrage für seine Masterarbeit fand Neiva heraus, dass 42 Prozent der Farbenblinden der Ansicht seien, eine vollständige Integration sei schwierig. In manchen Ländern dürfen Farbenblinde aus Sicherheitsgründen bestimmte Berufe wie Polizist, Feuerwehrmann oder Pilot nicht ergreifen, oder sie dürfen, wie in Brasilien, kein Auto fahren.
Kleidung, Bildung, Transport
90 Prozent der Kommunikation beruhe auf Farbe, heißt es auf der Internetseite von Coloradd. Neivas Farbenalphabet ist ein universales Symbolsystem und an jedem Ort einsetzbar, in jeder Kultur, Sprache und Religion. „Kleidung, Bildung, Transport und Gesundheit sind die entscheidenden Bereiche, in denen der Coloradd-Code die Farbenblinden am meisten unterstützt“, erklärt der Designer.