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Chipindustrie : ASML schüttelt die Halbleiterkrise vorerst ab

ASML-Vorstandschef Peter Wennink Bild: Reuters

Die Halbleiterbranche war zuletzt von Negativnachrichten geprägt. Gerade US-Exportbeschränkungen mit Blick auf China sorgten für Wirbel. Die spürt auch ASML, aber grundsätzlich geben sich die Niederländer zuversichtlich.

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          ASML zeigt sich wenig erschüttert vom geopolitischen Beben in der Halbleiterbranche. Europas führender Hersteller von Chipmaschinen schätzt die direkten Auswirkungen der US-Restriktionen auf Exporte nach China für Erste als „recht begrenzt“ ein: Als europäisches Unternehmen mit wenig amerikanischer Technik in seinen Produkten könne es von hier aus nach China liefern, sagte Finanzvorstand Roger Dassen anlässlich der Quartalszahlen. Die fielen über den Erwartungen von Analysten aus. Die Auftragsbücher bleiben gefüllt, die Nachfrage übersteigt weiter die Produktionskapazität. Das betrifft auch die deutschen Technikunternehmen Trumpf und Carl Zeiss, die zentrale Lieferanten für ASML sind.

          Klaus Max Smolka
          Redakteur in der Wirtschaft.

          ASML setzt damit einen Kontrapunkt in der Halbleiterbranche, die zuletzt von Negativnachrichten geprägt war. Die US-Regierung verhängte kürzlich breit gefasste Exportbeschränkungen für Hochleistungschips und für Ausrüstung zur Herstellung von Halbleitern. Amerikanische Unternehmen, die Ausrüstung für Chipwerke liefern und Dienstleistungen am Ort bereitstellen, begannen schnell damit, Personal abzuziehen. Auch ASML reagierte: In einer internen Mail wies das US-Management Angestellte in Amerika an, bis auf Weiteres keinerlei Kunden in China mehr zu unterstützen, „direkt oder indirekt“. ASML analysiere, welche Standorte von den Regeln konkret betroffen sein.

          „Es gibt wenig US-Technik in unseren Maschinen“

          Nun folgt eine teilweise Entwarnung aus der Zentrale im südniederländischen Veldhoven: Der Konzern prüfe das „sehr umfangreiche Dokument“ mit den Anordnungen der US-Regierung zwar noch, sagte Dassen. Doch sei ASML eine europäisches Unternehmen. „Das heißt, es gibt wenig US-Technik in unseren Maschinen.“ Daher könne man von Europa außer den Maschinen der neuesten Generationen, den EUV-Maschinen, nach China liefern. Für diese supermodernen Maschinen – das Kürzel steht für extrem ultraviolette Strahlung – wartet ASML seit drei Jahren vergeblich auf eine Ausfuhrgenehmigung der heimischen Regierung. Den Haag hielt sie schon 2019 nach amerikanischer Intervention zurück – ein Vorgang, der unabhängig von den neuen Restriktionen der Amerikaner zu sehen ist.

          Indirekte Folgen sind jetzt aber auch für ASML möglich, wie Dassen sagte. Zum Beispiel könnten chinesische Hersteller von unentbehrlicher Ausrüstung aus den USA abgeschnitten werden, was dann Aufträge an ASML beeinflusst. Doch sei das Unternehmen durch Order außerhalb Chinas ausgelastet. „Wir sind eindeutig in einer Position, in der das Angebot unter der Nachfrage liegt“, sagte der Finanzchef. „Die Nachfrage von außerhalb Chinas ist immer noch so, dass wir im jetzigen Umfeld Ausgleich von anderen Kunden bekämen.“

          Umsatz in Höhe von knapp 5,8 Milliarden Euro

          Allerdings hat in der Branche für Unruhe gesorgt, dass der weltgrößte Chip-Auftragsfertiger TSMC wegen unsicherer Aussichten für die Nachfrage seine Investitionen um 10 Prozent zusammenstrich. ASML-Vorstandschef Peter Wennink verwies denn auch auf die Unsicherheiten im Chipmarkt, mit Blick auf die hohe Inflation, sinkendes Verbrauchervertrauen sowie das Risiko einer Rezession. ASML sehe erste Anzeichen einer auseinanderlaufenden Nachfragedynamik in verschiedenen Bereichen.

          Das Unternehmen sieht sich im großen Bild durch den Langfrist-Trend der Digitalisierung der Welt gestützt: dass ein Alltagsprodukt nach dem nächsten mit Chips ausgerüstet wird, vom Auto bis hin zum Parkettboden, wie Dassen im April im F.A.Z.-Interview erläuterte. Chipproduzenten wie Intel und TSMC fertigen ihre elektronischen Gehirne mit den Maschinen aus Veldhoven – kaum ein Anbieter kommt ohne sie aus.

          Im dritten Quartal stieg der Umsatz auf knapp 5,8 Milliarden Euro, nach 5,4 Milliarden Euro im Vorquartal. Die bei Analysten viel beachtete Bruttomarge erhöhte sich von 49,1 auf 51,8 Prozent. Unter dem Strich standen 1,7 Milliarden Euro Gewinn zu Buche nach 1,4 Milliarden Euro im Vorquartal. Die Aufträge erreichten den Unternehmensangaben zufolge Rekordniveau. Die Aktie stieg im Kurs um mehr als 7 Prozent. ASML ist der wertvollste börsennotierte niederländische Konzern – und im Amsterdamer Leitindex AEX die Nummer zwei hinter dem Ölkonzern Shell, der seinen Zweitsitz in Den Haag aufgegeben hat und nur noch in London sitzt. ASML war früher eine Sparte von Philips, hat seine alte Muttergesellschaft im nahen Eindhoven aber kommerziell gesehen längst in den Schatten gestellt.

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