Branchen und Märkte (156): Wasser : Der unterschätzte Rohstoff
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Kein Rohstoff ist so wertvoll, wichtig und vielfältig einsetzbar wie Wasser - nicht mal das Rohöl. Es ist ein Markt mit ungeahnten Chancen. Doch Wasser ist politisch - und unterliegt anderen Regeln.
Wasser ist global. Wasser ist lokal. Es löst Probleme, und es schafft Probleme in Form von Katastrophen. Wasser ist sowohl lebensnotwendig wie auch ein Luxusgut. Es ist Grundlage für die Produktion und die Essenz für Bier sowie andere Nahrungsmittel. Die Nachfrage nach in Flaschen abgefülltem Wasser ist sprunghaft gestiegen, nicht nur in den industrialisierten Ländern Westeuropas, sondern auch in den Entwicklungsländern. Denn Trinkwasser ist zum Lifestyle-Produkt geworden. Die Landwirtschaft hat den größten Anteil am Verbrauch. Wasser versorgt uns mit Energie.

Wirtschaftskorrespondent mit Sitz in München.
Kein Rohstoff ist so bedeutend, nicht einmal das Rohöl. In der einen Weltregion ist Wasser knapp; in der anderen gibt es das Nass im Überfluss. Es werden Kriege darum geführt. Woanders wird es verschwendet. Der Zugang zum sauberen Wasser gilt als ein Menschenrecht. Deshalb ist Wasser mehr als nur ein Grundprodukt. Für viele Menschen ist es eine Selbstverständlichkeit: Wasser kommt aus der Leitung und verschwindet im Abfluss. Was davor und was danach passiert, ist den wenigsten bewusst - und eben auch egal.
Zugang zu sauberem Wasser
Andererseits gibt es rund 1,1 Milliarden Menschen auf der Erde, die nicht über diesen Luxus verfügen, da sie nicht adäquat versorgt werden können. Etwa 2,6 Milliarden Menschen haben keinen Zugang zu einer organisierten Abwasserentsorgung. In der Welt verfügen 95 Prozent der Städte nicht über eine geregelte Abwasserentsorgung, wie es etwa in Deutschland der Fall ist. Die Verschwendung ist groß. Wasserverluste im Versorgungsnetz werden in der Welt auf sage und schreibe 50 Prozent geschätzt. In Deutschland liegt der Anteil nur zwischen 5 und 10 Prozent, in Spanien ist er schon 25 Prozent, allein in London versickern täglich 800 Millionen Liter durch Lecks im Leitungssystem.
Die Vereinten Nationen haben in ihren Millenniumszielen gefordert, bis 2015 die Zahl jener Menschen zu halbieren, die keinen Zugang zu Trinkwasser haben. Sie sollen neben dem Zugang zu sauberem Wasser auch eine Abwasserentsorgung erhalten. Das klingt nach einem gewaltigen Geschäft und nach atemberaubenden Wachstumsraten in einer Branche, die von der Wassergewinnung über die Versorgung und Entsorgung, verbunden mit allen Dienstleistungen, bis hin zu der Ausstattung mit Maschinen und Anlagen sehr breit aufgestellt ist. Um die Ziele der UN zu erfüllen, müssten 50 Milliarden Euro im Jahr in der Welt investiert werden.
13 Mal um die Erde
Das betrifft die Reinigung, Wiederaufbereitung, Entsalzung, Verteilung und Sammlung von Wasser und Abwasser. In den Industrieländern wächst darüber hinaus der Bedarf an Sanierungen alter Netze und Anlagen. Das Verteilungsnetz ist gigantisch. Allein in Deutschland ist das Wasserrohr- und Kanalisationsnetz so lang, dass es die Erde 13 Mal umwickeln könnte. Insgesamt wird das Marktvolumen für alles, was mit Wasser zu tun hat, auf 460 bis 480 Milliarden Dollar im Jahr geschätzt.
Das umfasst den Bau von Anlagen und von Wasserwerken genauso wie das Versorgungsnetz und die -dienstleistungen, die etwa Wasserversorger wie die französischen Konzerne Veolia und Suez anbieten. In Deutschland wie in anderen Ländern wird die Wasserversorgung und Abwasserentsorgung beziehungsweise -aufbereitung zum allergrößten Teil von den Kommunen betrieben. Doch gibt es Privatisierungstendenzen. Eine Liberalisierung scheint geboten, weil neue Finanzierungswege gefunden werden müssen. Zu hoch ist der Modernisierungs- und Sanierungsbedarf. Selbst kommunale Wasserversorger wie Gelsenwasser oder Hamburg Wasser drängen in den Markt für private Anwendungen, also für den industriellen Einsatz.
Fragmentierte Branche