Pharmakonzern : Boehringer will in Deutschland 1000 Stellen abbauen
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Boehringer Ingelheim stutzt die Belegschaft auf die Größe des vergangenen Jahres zurück. Bild: dpa
Die Belegschaft von Boehringer Ingelheim in Deutschland ist zuletzt kräftig gewachsen. Jetzt will der Pharmakonzern knapp 1000 Stellen wieder abbauen.
Boehringer Ingelheim will die zuletzt kräftig gewachsene Belegschaft in Deutschland auf die Größe des vergangenen Jahres zurückstutzen – und damit knapp tausend Arbeitsplätze abbauen. „Wir wollen in Deutschland mittelfristig auf das Niveau von Sommer 2013 zurück“, sagte ein Sprecher des zweitgrößten deutschen Arzneiunternehmens auf Anfrage dieser Zeitung. Das ist Teil des Sparprogramms „Journey“ (Reise), das die Kosten in Deutschland um 15 Prozent senken soll (F.A.Z. vom 11. August). In absoluten Zahlen seien das 450 Millionen Euro, sagte der Sprecher.

Redakteur in der Wirtschaft.
Boehringer Ingelheim beschäftigte Ende Juni 2013 in Deutschland 13122 Mitarbeiter, Ende Juni dieses Jahres waren es 14087. In Unternehmenskreisen ist zu hören, die Geschäftsführung plane zunächst, bis 2016 rund 600 Arbeitsplätze abzubauen, die restlichen Stellen dann in den beiden darauffolgenden Jahren. Frei werdende Stellen sollen nur in dringenden Fällen besetzt werden, so soll die Belegschaft allmählich schrumpfen. Betriebsbedingte Kündigungen soll es nicht geben.
Über diese Planzahlen verhandelt das Management jetzt aber erst noch mit den Arbeitnehmervertretern. Ziel war zunächst, im November zu einer Einigung zu kommen. Jetzt heißt es etwas vorsichtiger: „bis Ende des Jahres“, so sagte es der Sprecher. Am Montag trat DeutschlandChef Stefan Rinn bei einer turnusgemäßen Betriebsversammlung am Stammsitz Ingelheim vor die Belegschaft.
Zwei Bereiche sind vom Personalabbau ausgenommen
Das Familienunternehmen gilt als ausgezeichneter Arbeitgeber – an den beiden deutschen Hauptstandorten Ingelheim bei Mainz und Biberach ist immer wieder Lob über die Unternehmenskultur zu hören. In den Umfragen des Führungskräfteverbands VAA zur Stimmung in Chemie- und Pharmaunternehmen belegt die Gesellschaft regelmäßig vordere Plätze, zuletzt Rang zwei. Viele Jahre vom Erfolg verwöhnt, musste Boehringer Ingelheim zuletzt Rückschläge verzeichnen: Ein weitgehend fertig entwickeltes und getestetes Hepatitis-C-Präparat kommt nicht auf den Markt, weil Wettbewerber inzwischen mit hocheffektiven Konkurrenzmitteln aufgewartet haben.
Zudem bleibt ein neues Schlaganfallmittel, das als wesentlicher Wachstumstreiber gedacht ist, nach Aussagen des verantwortlichen Managers hinter den Erwartungen zurück. Ein Grund dafür sei negative öffentliche Stimmung in Amerika. Zugleich kommt die Schwierigkeit eines jeden forschungsorientierten Arzneiunternehmens zum Tragen: der Patentverlust wichtiger Umsatzträger, die Geschäft an billigere Nachahmerprodukte (Generika) verlieren.
Zwei Bereiche des Unternehmens sind ausdrücklich vom Personalabbau ausgenommen: zum einen die sogenannte Biopharmazie in Biberach, die in Auftragsarbeit Medikamente für andere Unternehmen herstellt und nach Unternehmensangaben sehr gut läuft. Zum anderen die Eigenproduktion in Ingelheim – dieses Werk hatte wegen Beanstandungen der amerikanischen Gesundheitsbehörde FDA an der Qualitätssicherung Aufmerksamkeit erregt. Die FDA schickte voriges Jahr Boehringer einen Blauen Brief („Warning Letter“): Das Unternehmen habe anlässlich einer routinemäßigen Überprüfung nicht nachweisen können, wie Fremdpartikel in einen Wirkstoff für das Atemwegsmittel Spiriva gelangt seien, hieß es darin. Der Vorgang kostete Produktionsvorstand Wolfram Carius seinen Posten. Die FDA beansprucht Aufsichtslegitimität auch außerhalb der Vereinigten Staaten und kann im Extremfall den Export von Medikamenten aus der Ingelheimer Produktion in die Vereinigten Staaten verbieten. Dort erzielt Boehringer deutlich mehr als ein Drittel seines Jahresumsatzes von gut 14 Milliarden Euro. Der „Warning Letter“ ist inzwischen aufgehoben. Als Konsequenz der FDA-Inspektion habe Boehringer in Ingelheim 800 Stellen aufgebaut, sagte der Sprecher.