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Betrugsverdacht im Fall Kirch : Deutsche-Bank-Chef Fitschen muss vor Gericht

  • Aktualisiert am

Deutsche-Bank-Co-Chef Jürgen Fitschen Bild: dpa

Einer der wichtigsten Manager in Deutschland muss sich vor Gericht verantworten: Der Co-Chef der Deutschen Bank, Jürgen Fitschen. Es geht um versuchten Betrug im Kirch-Prozess.

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          Der Co-Chef der Deutschen Bank, Jürgen Fitschen, und vier frühere Spitzenmanager des Frankfurter Geldhauses müssen sich in einem Betrugsprozess vor dem Landgericht München verantworten. Das Landgericht München habe die Anklage wegen versuchten Betrugs im Kirch-Prozess gegen Fitschen und weitere Ex-Manager der Bank in vollem Umfang zugelassen, sagte eine Gerichtssprecherin am Montag in München. Der Prozess soll Ende April beginnen.

          Fitschen führt die Deutsche Bank seit Juni 2012 gemeinsam mit Anshu Jain und ist einer der wichtigsten Wirtschaftsbosse in Deutschland. Er hatte 2011 im Kirch-Prozess ausgesagt und dabei nach Auffassung der Staatsanwaltschaft Angaben gemacht, die in sich nicht schlüssig gewesen seien. Vor Gericht verantworten müssen sich zudem Fitschens Vorgänger Josef Ackermann und Rolf Breuer, sowie der ehemalige Aufsichtsratschef der Bank, Clemens Börsig, und ein weiterer Ex-Vorstand des größten deutschen Geldhauses.

          Der Vorwurf: versuchter Prozessbetrug

          Die fünf Top-Manager haben nach Ansicht der Staatsanwaltschaft zusammengewirkt, um Schadenersatzzahlungen an die Erben des verstorbenen Medienunternehmers Leo Kirch zu vermeiden. Durch falsche Angaben habe das Oberlandsgericht München getäuscht werden sollen. Die Staatsanwaltschaft hatte im Sommer vergangenen Jahres Anklage erhoben. Nach einer gründlichen Prüfung ließ der Vorsitzende Richter der 5. Strafkammer, Peter Noll, diese nun zu. Die 627 Seiten lange Anklage stützt sich auch auf Schriftstücke, die bei Durchsuchungen der Deutschen Bank sichergestellt wurden.

          Kirch hatte die Bank und deren Ex-Chef Breuer zeitlebens für die Pleite seines Medienkonzerns verantwortlich gemacht. Breuer hatte Anfang 2002 in einem TV-Interview Zweifel an Kirchs Kreditwürdigkeit geäußert. Wenige Wochen später meldete Kirch Insolvenz an. Es folgte eine Welle von Prozessen. Anfang 2014 einigte sich die Bank mit den Kirch-Erben auf einen Vergleich und zahlte 925 Millionen Euro. Dennoch ermittelte die Staatsanwaltschaft in Sachen versuchter Prozessbetrug weiter.

          Dem Landgericht München steht mit der Anklage abermals ein spektakulärer Prozess ins Haus: Erst im vergangenen Sommer hatte es Richter Peter Noll mit Formel-1-Boss Bernie Ecclestone zu tun. Für den Prozess gegen Fitschen & Co hat er zunächst 13 Verhandlungstage bis Anfang August eingeplant. „Ob das Verfahren in dieser Zeit abgeschlossen werden kann, ist noch nicht abzusehen“, sagte Gerichtssprecherin Barbara Stockinger am Montag. Als Angeklagte in einem Strafprozess müssen die Manager persönlich ins Gericht kommen.

          Fitschen ist nicht der erste Deutsche-Bank-Chef, der sein Büro zeitweise mit dem Gerichtssaal tauschen muss: Der Mannesmann-Prozess zwang Vorgänger Ackermann von Januar 2004 an dazu. Erst nach fast drei Jahren stellte das Düsseldorfer Landgericht den Prozess um Prämien- und Pensionsbeschlüsse im Zusammenhang mit der Mannesmann-Übernahme durch Vodafone gegen eine Geldauflage ein. Im aktuellen Fall dürfte die Terminplanung des Münchner Landgerichts mit einem Verhandlungstag pro Woche Fitschen entgegenkommen.

          Chronologie: Der Fall Kirch und die Deutsche Bank

          Vor gut einem Jahr beendete die Deutsche Bank den jahrelangen Rechtsstreit um eine Mitverantwortung für die Pleite des Kirch-Medienkonzerns mit einem Vergleich. Abgehakt ist das Thema damit nicht: Ab Ende April muss sich unter anderen der amtierende Co-Chef Jürgen Fitschen vor Gericht verantworten. Eine Chronologie:

          Februar 2002: Deutsche-Bank-Chef Rolf Breuer stellt die Kreditwürdigkeit der Kirch-Gruppe infrage. In einem TV-Interview sagt er: „Was alles man darüber lesen und hören kann, ist ja, dass der Finanzsektor nicht bereit ist, auf unveränderter Basis noch weitere Fremd- oder gar Eigenmittel zur Verfügung zu stellen.“

          April 2002: Die Kirch-Gruppe stellt Insolvenzantrag für ihr Kerngeschäft. Später folgt die Dachgesellschaft Taurus-Holding.

          Januar 2006: Der Bundesgerichtshof (BGH) stellt fest, die Bank und Breuer seien dem Medienunternehmer Leo Kirch grundsätzlich zur Zahlung von Schadenersatz verpflichtet. Eine Haftung der Bank für den Zusammenbruch des gesamten Medienimperiums verneinen die Richter.

          14. Juli 2011: Kirch stirbt im Alter von 84 Jahren.

          November 2011: Die Staatsanwaltschaft München verdächtigt den damaligen Bank-Chef Josef Ackermann, im Kirch-Prozess falsche Angaben gemacht zu haben. Auch Ex-Chef Breuer und andere Manager sind im Visier der Behörde - später auch der heutige Co-Chef Jürgen Fitschen.

          14. Dezember 2012: Das Oberlandesgericht (OLG) München verurteilt die Deutsche Bank zu Schadenersatz für Verluste in Folge der Pleite des Kirch-Imperiums. Die Höhe soll von zwei Gutachtern bestimmt werden.

          20. Februar 2014: Die Deutsche Bank zahlt den Kirch-Erben in einem Vergleich 925 Millionen Euro.

          23. September 2014: Die Münchner Staatsanwaltschaft erhebt Anklage gegen Fitschen, seine Vorgänger Breuer und Ackermann, den ehemaligen Aufsichtsratschef der Deutschen Bank, Clemens Börsig, sowie einen weiteren Ex-Vorstand. Sie wirft ihnen unrichtige Zeugenaussagen vor und geht von versuchtem Betrug in einem besonders schweren Fall aus.

          2. März 2015: Das Landgericht München lässt die Anklage in vollem Umfang zu. Der Prozess soll am 28. April beginnen.

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