Unpünktliche Züge : Berater legen Maßnahmenpaket für marodes Schienennetz vor
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Zo Fooss noh Kölle jonn? Zumindest bringen die Arbeiten an der Eisenbahnbrücke über die Deutz-Mülheimer Straße wie vielerorts Einschränkungen mit sich. Bild: Lando Hass
Es muss sich viel ändern, damit Züge in Deutschland wieder pünktlich sind. Eine Kommission legt eine lange Liste vor. Nun jetzt soll alles ganz schnell gehen, verspricht Verkehrsminister Wissing.
Bundesverkehrsminister Volker Wissing möchte zentrale Forderungen der „Beschleunigungskommission Schiene“ schnell von der Bundesregierung absegnen lassen, um zügig Lösungen für das überlastete Schienennetz in Deutschland einzuleiten. Das hat der FDP-Politiker am Dienstag zur Übergabe des Abschlussberichtes des Beratergremiums beteuert. Noch in dieser Woche sollen wichtige Eckpunkte des Berichtes vom Kabinett beschlossen werden.
Damit will er den „Rückenwind“ aus der Arbeit nutzen und eine Art Selbstbindung der Bundesregierung erreichen. In ihrem Abschlussbericht hat die Kommission mit rund 30 Vertretern aus Politik, der Bahn- und Baubranche sowie aus Behörden und der Wissenschaft 70 konkrete Handlungsempfehlungen aufgelistet, die nun geprüft und zeitnah umgesetzt werden sollen.
Politisches Hick-Hack mit den Grünen
Mit der angestrebten Vorfestlegung durch die Bundesregierung dürfte Wissing vor allem auf den grünen Koalitionspartner zielen, der in einigen Aspekten der Planungsbeschleunigung fundamental andere Auffassungen vertritt als die FDP. Die politische Auseinandersetzung dreht sich vor allem um die Frage, ob auch der Straßenneubau von effizienteren Strukturen profitieren soll oder diese sich nur auf Infrastrukturvorhaben konzentrieren sollen, die dem Klimaschutz dienen.
Neben dem Ausbau der Windenergie gehört dazu nach Auffassung der Ampelkoalition in jedem Fall auch die Schiene, wie Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) zuletzt betonte. „Wenn hier noch jemand glaubt, wir hätten Zeit für Spielchen gegeneinander, der hat den Ernst der Lage auf der Schiene nicht erkannt“, sagte Wissing mit Blick auf die Auseinandersetzungen.
Druck kam indes auch aus der Kommission selbst: „Jetzt muss Volker Wissing vorlegen, und zwar zügig“, forderte Kerstin Haarmann, Bundesvorsitzende des ökologischen Verkehrsclubs VCD. „Der Zeitplan für das Verkehrsministerium und den Bundestag ist definiert. Es gibt keine Ausreden mehr.“
Knapp 200 unterschiedliche Fördertöpfe
Die Liste, die die Beschleunigungskommission knapp ein halbes Jahr nach ihrer Berufung vorlegte, ist lang. Sie umfasst sowohl kleine, schnell umzusetzende Maßnahmen als auch grundlegende Reformen zum Finanzierungssystem der Schiene. Statt 190 unterschiedlicher Fördertöpfe sollten künftig nur noch zwei Fonds für die Instandhaltung und den Neubau des Schienennetzes genutzt werden, wie der Vorsitzende der entsprechenden Arbeitsgruppe, Tobias Heinemann, betonte.
Anders als bisher soll das Geld auch über mehrere Jahre hinweg genutzt werden können. Das bisher geltende Haushaltsprinzip sieht dagegen vor, dass die zur Verfügung gestellten Mittel innerhalb des Kalenderjahres genutzt werden müssen. „Die Maßnahmen sollen nicht jedes Jahr neu hinterfragt werden“, sagte Heinemann, der zudem Präsident des Bündnis für fairen Wettbewerb im Schienenpersonenverkehr, Mofair, ist. „Die Zeiten, in denen mit Infrastruktur Geld verdient werden konnte, sind vorbei.“
Heinemann verwies auf ein weiteres großes Projekt zum Umbau der Deutschen Bahn. Im Jahr 2024 soll eine „gemeinwohlorientierte“ Infrastrukturgesellschaft entstehen, in der die zentralen Tochtergesellschaften der Bahn gebündelt werden sollen. Der Interessenverband Allianz pro Schiene brachte zudem noch eine andere Finanzierungsquelle ins Gespräch, die die Beschleunigungskommission beschäftigt hat: „Wenn dann – wie von der Bundesregierung geplant – in gut einem Jahr noch Einnahmen aus der Lkw-Maut auch in die Schiene fließen können, dann haben wir eine solide Basis für die Modernisierung des Schienennetzes“, sagte der Geschäftsführer Dirk Flege, der ebenfalls in der Kommission mitgearbeitet hat.
Verkehrsminister Wissing wollte sich noch nicht festlegen, ob dieser Umbau tatsächlich in all seiner Konsequenz umgesetzt wird – auch, weil er dies nicht allein zu entscheiden hat. Er äußerte „Sympathien“ für diesen Vorschlag, der auch schon mit Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) vorbesprochen sei. Allerdings hätten dies auch die Haushaltspolitiker des Bundestags mitzuentscheiden. Mit Lindner sei er sich jedoch einig, dass die notwendigen finanziellen Mittel zur Verfügung gestellt werden müssten. Eine konkrete Zahl nannte er nicht, denn die wirklich großen Kosten fielen erst ab dem Jahr 2024 an. Dann startet auch die Generalsanierung, mit der die Deutsche Bahn die Hauptverkehrsadern ihres Netzes nach und nach erneuern will – teilweise unter kompletter Sperrung der betroffenen Strecken.
Neben den großen Reformen finden sich etliche kleinere Maßnahmen in dem Paket, die womöglich schon bald Entlastungen bringen. So könnten die Kapazitäten auf der Schiene besser genutzt werden, wenn deren Management konsequent digitalisiert wird. Dadurch könnten etwa Rangiervorgänge von Hauptknotenpunkten in Frankfurt auf weniger befahrene Stellen verlegt werden. Mithilfe einer solchen „Deutschlandtakt-Maschine“ könnte der Fahrplan dann so optimiert werden, dass mehr Verkehr über die Schienen geleitet werden kann – auch ohne Netzausbau, der wesentlich länger dauern würde.
Kommt jetzt das „Moderne-Schiene-Gesetz“?
Beim Bau neuer Gleise sei ebenfalls noch „Luft nach oben“, stellte die Kommission klar. So gebe es Beispiele von Großmaschinen, die auch nach 18 Monaten noch immer nicht von der zuständigen europäischen Behörde genehmigt worden seien und nutzlos herumstünden, erläuterte der Kommissionsvorsitzende und parlamentarische Staatssekretär Michael Theurer (FDP).
Die Kommission sprach sich für ein neues Regelwerk unter dem Titel „Moderne-Schiene-Gesetz“ aus, mit dem zentrale Normänderungen schnell in die Wege geleitet werden könnten. Dazu gehöre auch die gesetzliche Festlegung, dass Infrastrukturvorhaben künftig Vorrang eingeräumt werden müsse, außerdem sollten Prozesse zur Flächennutzung und Raumplanung deutlich vereinfacht werden.