Begehrter Saatgutkonzern : Agrochemie-Poker um Monsanto
- -Aktualisiert am
Wo der Mais von Monsanto wächst: Die Welt in Illinois ist eine andere als in Leverkusen. Bild: AP
Der Weltmarkt für Pflanzenschutz und Saatgut wird neu verteilt. Angeblich buhlen Bayer und BASF um den amerikanischen Konzern Monsanto. Welche Rolle spielt dabei das amerikanische Komitee für Auslandsinvestititonen?
Der amerikanische Saatgutriese Monsanto gilt als eines der meistgehassten Unternehmen der Welt. Als Vorreiter gentechnisch veränderten Saatguts, als Produzent des umstrittenen Pflanzenschutzmittels Roundup, als ein Unternehmen, das angeblich Bauern mit Saatgut in Abhängigkeit versetzt, steht der amerikanische Konzern in der Kritik. Nun buhlen ausgerechnet Bayer und BASF um die Gunst von Monsanto, sollen sogar eine Übernahme des Unternehmens erwägen, die mehr als 50 Milliarden Euro kosten könnte. Das sind die neuesten Spekulationen in einem ohnehin aufgepeitschten Markt.
Stark gefallene Getreidepreise haben die lange von hohen Wachstumsraten verwöhnten Anbieter von Pflanzenschutzmitteln und Saatgut unter Druck gesetzt. Vor allem die großen Agrarmärkte in Lateinamerika – zuvorderst Brasilien – stecken in einer Rezession. In dieser angespannten Lage stellen sich die beiden größten Chemieunternehmen Amerikas – Dupont und Dow Chemical – auf Druck ihrer Aktionäre neu auf. Zuerst fusionieren sie und spalten sich dann in drei Unternehmen auf: Einer der Ableger wird ein reiner Anbieter von Agrarchemie. Damit entsteht ein neuer Weltmarktführer mit Umsätzen von 18 Milliarden Dollar. Dahinter folgt Monsanto mit 15 Milliarden Dollar, die schweizerische Syngenta mit 13,4 Milliarden, das Agrarchemiegeschäft von Bayer mit umgerechnet 11,7 Milliarden Dollar und die Pflanzenschutzsparte der BASF mit 6,5 Milliarden Dollar. Zusätzlich unter Druck kommt das Oligopol durch den Vormarsch des chinesischen Staatsunternehmens Chem China. Nachdem ein Kaufangebot von Monsanto von den Syngenta-Aktionären als zu niedrig zurückgewiesen wurde, trat im vergangen Herbst Chem China auf den Plan und bietet aktuell 43 Milliarden Euro für Syngenta. Ein politischer Preis, wie es in der verärgerten Branche heißt, den kein börsennotiertes Unternehmen bieten könne.
Neben Monsanto war auch BASF an Syngenta interessiert. Die Syngenta-Aktionäre haben sich für die Übernahme ausgesprochen, allerdings sind noch kartellrechtliche Fragen zu klären. Syngenta bekäme mit dem neuen Eigentümer einen besonderen Zugang zum riesigen chinesischen Markt, weshalb alle Konkurrenten die Übernahme mit Argusaugen verfolgen. Das ist die Ausgangslage. Die Konsolidierung ist noch nicht zu Ende, nur das ist gewiss. Ein Beteiligter sagt: „Alle legen sich die Karten.“
BASF will Großübernahmen weiterhin sorgfältig prüfen
Am Donnerstag reagierten Bayer-Aktionäre verschnupft auf die Spekulation, der Konzern prüfe eine Komplettübernahme von Monsanto. Der Handel der Aktie musste zeitweise sogar ausgesetzt werden, der Kurs ging deutlich zurück. Am Morgen war auch über ein Angebot der BASF spekuliert worden, allerdings weniger konkret, der Aktienkurs ging auch nur leicht zurück. Offiziell kommentiert keines der Unternehmen das Monopoly.
Sollte der Leverkusener Pharma- und Agrochemiekonzern tatsächlich für Monsanto bieten, wäre dies die mit Abstand größte Akquisition in der Unternehmensgeschichte. Die bisherigen Übernahmen – der Berliner Pharmakonzern Schering und das Geschäft mit rezeptfreien Mitteln des amerikanischen Pharmakonzerns Merck – bewegten sich in deutlich bescheideneren finanziellen Regionen von 17 und 10 Milliarden Euro. Nicht von ungefähr gehen Marktbeobachter eher davon aus, dass auch andere Optionen der Zusammenarbeit geprüft werden als eine Komplettübernahme, etwa die Bildung von Gemeinschaftsunternehmen. Einen Vorstoß der BASF halten Beobachter für noch weniger wahrscheinlich. Zumal Konzernchef Kurt Bock betont, dass der Vorstand trotz spürbarer Erwartungen nach einem großen Wurf Großübernahmen weiter sehr vorsichtig prüfe, Übernahmeziele seien zurzeit teuer. BASF konzentriert sich als einziger der großen Agrochemiekonzerne ausschließlich auf Pflanzenschutz ohne Saatgut.
Chinesischer Übernahme könnte politischer Riegel vorgeschoben werden
Mit Monsanto verbindet die Ludwigshafener allerdings seit einiger Zeit schon eine Kooperation: BASF, die ihre Gentechnikforschung nach Amerika verlagert hat, entwickelt dort neues Saatgut, Monsanto produziert und verkauft es. Die gentechnische Ausrichtung von Monsanto gilt nicht als Hinderungsgrund einer Übernahme durch Europäer. Gentechnik stößt in Europa auf erhebliche Bedenken, in vielen Teilen der Welt ist sie Teil des normalen Geschäftes geworden.
Ein wichtiger, weithin unbekannter Mitspieler könnte das Pflanzenschutz-Monopoly kräftig durchmischen: das Komitee für Auslandsinvestitionen in den Vereinigten Staaten, kurz CFIUS. Das Aufsichtsgremium der Regierung überprüft Auswirkungen von ausländischen Investitionen auf die nationale Sicherheit. Die Aufgabe wurde in der Vergangenheit durchaus weit ausgelegt. So sagte die niederländische Philips den geplanten Verkauf ihrer LED-Sparte an Chinesen ab, weil das Komitee ansonsten ein Importverbot ausgesprochen hätte. Die Chemiebranche munkelt nun, dass sich Monsanto für ein ähnliches Vorgehen bei Chem China/Syngenta starkmacht. Syngenta könnte bei einer Übernahme dann nicht mehr auf dem amerikanischen Markt verkaufen, der Deal wäre stark gefährdet. Sollte es tatsächlich dazu kommen, ginge der Kampf um Syngenta aufs Neue los. Die Nerven aller Beteiligten sind in dieser Gemengelage erheblich angespannt. Jedes Gerücht treibt die Kurse, Investmentbanker und Anwälte wittern Geschäfte. Eine gestreute Spekulation wie die über Bayer liefert ein wichtiges Signal, wie eine Vollübernahme ankommen würde. Im Falle von Bayer offensichtlich nicht gut, wie die Kursreaktion zeigt.
Bayer ist mit einer Marktkapitalisierung 83 Milliarden Euro – doppelt so viel wie Monsanto – eines der wertvollsten Unternehmen in Deutschland. Nach dem Konzernumbau und dem Börsengang der Chemietochtergesellschaft Covestro konzentriert sich der Konzern auf das Geschäft mit verschreibungspflichtigen und rezeptfreien Arzneien sowie auf das Pflanzenschutzgeschäft. Die nach den Worten des neuen Bayer-Vorstandsvorsitzenden Werner Baumann ausdrücklich zum Kerngeschäft zählende Agrarchemie erwirtschaftet rund 80 Prozent des Umsatzes mit Pflanzenschutz. 20 Prozent entfallen auf das Saatgutgeschäft, das nach früheren Aussagen des Unternehmens gezielt ausgebaut werden soll. Insofern passt eine wie auch immer gestaltete Partnerschaft mit Monsanto, dem größten Saatgutproduzenten der Welt. Nach der Entscheidung, die Chemieaktivitäten unter dem Namen Covestro an die Börse zu geben, verfügt Bayer über Manövriermasse zur Finanzierung größerer Deals. Denn noch hält Bayer 64 Prozent an der an der Börse mit 7,3 Milliarden Euro bewerteten Covestro AG. Ein weiteres Randgebiet, von dem sich Bayer trennen könnte, ist das eigentlich sehr lukrative Geschäft mit der Tiergesundheit. Im Prinzip sucht Bayer auch hier nach passenden Zukäufen.