Energiekrise : BASF will auf Gaspreishilfen verzichten
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Sieht für die BASF weiterhin große Chancen in China: Martin Brudermüller, der Vorstandsvorsitzende des Chemiekonzerns Bild: dpa
Wenn möglich, will der Chemiekonzern ohne staatliche Gelder auskommen. Vorstandschef Martin Brudermüller warnt zugleich davor, Hilfen an Bedingungen zu knüpfen. Auch das „China-Bashing“ des Westens sieht er kritisch.
Der Chemiekonzern BASF will die Gaspreisbremse möglichst nicht in Anspruch nehmen. Für eine endgültige Entscheidung sei es noch zu früh, aber das Unternehmen, einer der größten industriellen Gasverbraucher in Deutschland, werde „das Maximale tun, um das aus eigener Kraft zu stemmen“, sagte der Vorstandsvorsitzende Martin Brudermüller bei Vorlage der Zwischenbilanz. Jedes Unternehmen stehe in der Verantwortung zu überlegen, ob es öffentliches Geld nutzen könne und müsse. Der Staat könne schließlich nicht über Jahre hinaus „jedes Defizit übernehmen“.
Nach Brudermüllers Worten hängt die Entscheidung, ob der Konzern die Hilfen in Anspruch nimmt, zum einen von den Bedingungen für deren Auszahlung ab, zum anderen von der Entwicklung des Gaspreises. Vor allem die möglichen Bedingungen für eine Gaspreisbremse haben die Industrievertreter umgetrieben, seit der Haushaltsausschuss des Bundestages vorgeschlagen hat, die Auszahlung – ähnlich den Corona-Hilfen – an eine Begrenzung der Boni und den Stopp von Dividenden zu knüpfen. Sollte das so kommen, hätte es für Konzerne wie BASF erhebliche Auswirkungen, deren Investoren vor allem wegen der Dividende die Aktie halten. Die Gaskommission stellt demnächst ihre finalen Empfehlungen vor, dann muss das Wirtschaftsministerium entscheiden.
Mit Unmut reagierte Brudermüller auf die Kritik, dass BASF schon ein Sparprogramm angekündigt habe, obwohl der Staat mit dem Preisdeckel doch Hilfen anbiete, um einen Stellenabbau zu verhindern. Auch nach dem Krieg würden die Energiepreise höher sein als heute, sagte er. Die Welt verändere sich, und die Unternehmen müssten jetzt darauf reagieren. „Es kann nicht sein, dass man Unternehmen für ein paar Jahre einfriert und dann wieder auftaut.“
Neue Strategie für Produktion in Europa
Umso wichtiger sei es, die Hilfen so zu gestalten, dass „Strukturveränderungen“ möglich blieben. Zum Ärger der Chemiegewerkschaft IG BCE hat der Vorstand schon ein Sparprogramm angekündigt, mit dem die Kosten in Europa um eine halbe Milliarde Euro im Jahr sinken sollen – ein Zehntel der Gesamtkosten. Vor allem betroffen davon sind die Verwaltung und Servicefunktionen am Hauptsitz Ludwigshafen, wo gut 39.000 Menschen arbeiten. Entlassungen sind dort allerdings bis 2025 noch vertraglich ausgeschlossen.
Zu dem kurzfristigen Sparprogramm will Brudermüller im ersten Quartal eine runderneuerte Strategie vorstellen, um die Produktion in Europa den veränderten Rahmenbedingungen anzupassen. Auch damit werde der Gasverbrauch deutlich sinken. Die Energiekosten allein in Europa haben sich nach Darstellung des Unternehmens in den ersten neun Monaten um 2,2 Milliarden Euro erhöht. Der Gaspreis ist nach Darstellung von Finanzvorstand Hans-Ulrich Engel allerdings deutlich unter den Höchststand gefallen.
Zudem habe der Konzern seinen Gasverbrauch weiter reduziert. Dies sei allerdings wie im überwiegenden Teil der Industrie vor allem der gedrosselten Produktion geschuldet. Wichtigste Stellschraube der BASF ist dabei Ammoniak, ein wichtiges Vorprodukt für Düngemittel und Adblue. Weil sich die Produktion in Europa kaum noch lohnt, kauft der Konzern das Mittel auf dem Weltmarkt zu und hat seine drei Ammoniakwerke in Europa gedrosselt.
BASF sieht „große Chancen“ in China
Mit deutlichem Ärger reagierte Brudermüller auf die wachsende China-Skepsis des Westens. „Wir müssen vom China-Bashing wegkommen und endlich auf uns gucken“, sagte er. Viele Sorgen seien zwar berechtigt, zugleich seien aber die Geschäftsbeziehungen für die deutsche Wirtschaft wichtig. China stehe schließlich für die Hälfte des globalen Chemiekalienmarktes.
Der Konzern hat nach seinen Worten die Entscheidung für den bis zu 10 Milliarden Dollar teuren neuen Verbundstandort im südchinesischen Guangdong sorgfältig abgewogen. Man habe geopolitische Risiken, Wachstumsprognosen und selbst Fragen zur Cybersicherheit erörtert und sich dann für den Bau entschieden. Abstriche an den Plänen gebe es deshalb auch jetzt nicht. „Wir sehen nach wie vor große Chancen für BASF.“
Brudermüller, der Anfang November mit Bundeskanzler Scholz nach China fährt, hieß die umstrittene Reise gut. Der Kanzler zeige als amtierender Vorsitzender der G-7-Staaten Dialogbereitschaft und ein Interesse, die Verbindung zu China zu halten. Statt nur über die Abhängigkeit von China zu diskutieren, wünsche er sich von den Europäern und der Bundesregierung eine „Resilienzstrategie“, die zeige, wo es überall Abhängigkeiten gebe und wo Möglichkeiten, zu diversifizieren. „Wir würden dann nicht mehr auf China gucken, wir würden auf uns gucken.“
Umsatz rauf, Betriebsergebnis runter
Im dritten Quartal hat sich BASF nach Einschätzung von Brudermüller solide geschlagen. Die Eckdaten hatte der Konzern bereits ad hoc veröffentlicht: Demnach konnte er einen Großteil der höheren Kosten weitergeben, allerdings nicht alle. Der Umsatz ist von Juli bis September um 12 Prozent auf 21,9 Milliarden Euro gestiegen, das Betriebsergebnis um eine halbe Milliarde auf 1,3 Milliarden Euro gefallen. Positiv überrascht habe die Nachfrage aus der Autoindustrie, der wichtigsten Kundenbranche; auch mit der Landwirtschaft liefen die Geschäfte gut. Bauwirtschaft und Konsumausgaben schwächten sich hingegen ab. Die Jahresprognosen bestätigte der Konzern: So soll der Umsatz nach 79 Milliarden im Vorjahr zwischen 86 und 89 Milliarden Euro erreichen. Das Betriebsergebnis vor Sondereinflüssen von 7,8 Milliarden soll auf 6,8 bis 7,2 Milliarden Euro fallen.
Auch wenn BASF die Gaspreishilfen nicht annehmen sollte, eine potentielle Hilfe des Staates bleibt. Als der Konzern 2015 seine deutschen Gasspeicher und die Gashandelsgesellschaft Wingas mit dem russischen Staatskonzern Gazprom gegen Förderlizenzen in Sibirien tauschte – ein Jahr nach der Annexion der Krim –, stellte der Bund dem Unternehmen dafür eine Milliardenbürgschaft bereit. Finanzvorstand Engel bezifferte die entsprechenden Garantien am Mittwoch auf grob 2,5 Milliarden Euro.
Die Tochtergesellschaft Wintershall hat nach dem Überfall weitere Investitionen in Russland gestoppt, fördert allerdings mit dem Hinweis weiter, dass sonst die Lizenzen kostenlos an den russischen Staat fielen. BASF arbeite mit dem zweiten Großaktionär – einem Oligarchen – gerade an einem Tauschhandel, um sich von dem Russlandgeschäft zu trennen. Sollte das nicht klappen und der russische Staat die Aktivitäten verstaatlichen, würde die Garantie fällig.