Axel-Springer-Verlag : Journalismus über Bord
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Im Zeitungskiosk sind immer weniger Produkte von Axel Springer zu finden. Der Konzern steuert mit voller Kraft ins Internet. Bild: REUTERS
Der Axel Springer Verlag verwandelt sich in einen Gemischtwarenladen. Echten Journalismus hat der erfolgreiche Konzern aber kaum noch im Sortiment.
Als der Axel Springer Verlag im Sommer vergangenen Jahres auf einen Schlag gleich mehrere große Zeitungstitel an die Funke-Mediengruppe verkaufte, ging ein Raunen durch die deutschen Verlagshäuser. Neben dem „Hamburger Abendblatt“ und der Fernsehzeitschrift „Hörzu“, die der Verlagsgründer Axel Cäsar Springer selbst gegründet hatte, verkaufte der Konzern auch die „Berliner Morgenpost“ und das Frauenmagazin „Bild der Frau“. Kaufpreis für Funke: 920 Millionen Euro. Am Donnerstag legt der Konzern seine Jahreszahlen vor: Gespannt blicken Anleger und Investoren der ohnehin starken Springer-Aktie auf die Bilanz des Verlags nach dem Verkauf der Zeitungen.
Viel ist seit dem Funke-Deal nicht übrig geblieben, vom journalistischen Angebot des Traditionsverlags. Die Tageszeitung „Die Welt“ bemüht sich mit mäßigem finanziellem Erfolg, den Sprung ins Online-Zeitalter zu schaffen. Zwar ist Bild.de die meistgenutzte deutsche Nachrichtenseite im Internet, die Bild-Zeitung verkauft dagegen aber Jahr für Jahr weniger gedruckte Exemplare.
Das große Geld macht der Springer-Konzern allerdings an anderer Stelle: Mit Internetportalen wie der französischen Immobilienseite Seloger, an der Springer im Jahr 2012 für 634 Millionen Euro Anteile kaufte. Seitdem Matthias Döpfner im Jahr 2002 Vorstandsvorsitzender von Springer wurde, trieb der mächtige Vorsitzende den Konzern ins Netz. Über die zahlreichen Online-Portale von Springer kann man Urlaubsflüge buchen, Wohnungen mieten, Hautpflegetipps bekommen und nach den besten Angeboten für Fleischwurst suchen. Springer betreibt das Autoportal Carwale in Indien, die deutsche Online-Börse Stepstone und den App-Entwickler Runtastic. Nur echten Journalismus gibt es immer weniger im Portfolio der Axel Springer SE.
Als der 51 Jahre alte Matthias Döpfner den Verlag vor 12 Jahren übernahm, machte Springer 200 Millionen Euro Verlust. Heute macht die Firma 300 Millionen Euro Gewinn, finanziell hat Döpfner die Kehrtwende geschafft. Nur hat sich die Produktpalette auf dem Weg zum profitablen Unternehmen stark verändert: Der große Zeitungserfinder Axel Cäsar Springer setzte das „Hamburger Abendblatt“ und die Fernsehzeitung „Hörzu“ in die Welt, über Jahrzehnte prägten seine Blätter den deutschen Journalismus. Das ist Geschichte. Heute geben die Zahlen Döpfner Recht: Als er anfing war die Springer-Aktie 19,33 Euro wert, jetzt liegt sie bei rund 50 Euro.
Kurz nach dem aufsehenerregenden Deal mit der Funke-Gruppe gab der Springer-Konzern bekannt, dass er auch den französischen Zeitschriftenverlag PGP verkaufen wolle. Journalismus, kategorisch aussortiert. Die Haltung des Konzerns: Print bringt’s nicht. Das belegt ein Blick auf die Zahlen: Im Geschäftsjahr 2012 erzielte der Verlag mit knapp 1,2 Milliarden Euro erstmals mehr Umsatz mit digitalen Medien als mit gedruckten Zeitungen. Der Anteil des digitalen Angebots liegt mittlerweile über 40 Prozent. Online-Portale wie Immoweb, Belgiens größtes Immobilienportal, oder die meistgenutzte britische Stellenbörse Totaljobs machen die enormen Gewinne möglich.
Dabei teilen auch andere große Verleger in Deutschland die Auffassung, dass sich nur mit Zeitschriften und Zeitungen nicht mehr genug Geld verdienen lässt. Hubert Burda, Chef des gleichnamigen Verlagshauses, bezog dazu im Januar dieses Jahres eine klare Position: „Allein mit Qualitätsjournalismus kann heute niemand mehr überleben“, sagte Burda auf der Digitalkonferenz DLD in München. Als Verleger müsse man an sein Geschäftsmodell denken. Auch der Burda-Verlag betreibt profitable Internet-Portale wie Zooplus, Elitepartner oder Holidaycheck.

Bei Springer ist trotz gegenteiliger Beteuerungen nicht mehr viel übrig von der journalistischen Erbsequenz, auf der der große Axel Springer seinen Verlag gründete. Die Richtung, die sein Konzern nimmt, ist klar erkennbar: Mit Volldampf ins Netz. Um die journalistischen Online-Angebote mit Bewegtbildern zu unterstützen kaufte Springer im Dezember 2013 den Nachrichtensender N24. Der Sender soll nun mit einer der letzten beiden Springer-Tageszeitung „Die Welt“, fusioniert werden.
Mit dem Kauf von N24 greift der Verlag nicht zum ersten Mal nach einem Fernsehsender. Im Januar 2006 erlebten die Berliner um Matthias Döpfner eine krachende Niederlage, als das Kartellamt die minutiös geplante Übernahme der ProsiebenSat1-Gruppe durch Springer verhinderte. Die Geschlagenen konzentrierten sich danach umso mehr auf das digitale Geschäft, kauften in kurzer Zeit zahlreiche Portale und Plattformen. Im Mai 2010 gingen die Wirtschaftstitel „Euro“ und „Euro am Sonntag“ über Bord des Springer-Schiffs.
Seit Jahren kein klassisches Zeitungshaus mehr
Der Betriebsrat nimmt die Veränderungen der letzten Jahre zähneknirschend hin. „Der Funke-Deal hat uns sehr weh getan. Da wurden Zeitungen aus der Gründerzeit verkauft und wir konnten nicht nachvollziehen warum“, sagt Jürgen Fischer, Betriebsrat bei Axel Springer und selbst ehemaliger „Welt“-Redakteur. Was genau der Axel-Springer-Verlag heute ist, ist schwer zu sagen. Seit Jahren schon sei man kein klassisches Zeitungshaus mehr, findet Fischer. Konzernchef Matthias Döpfner jedenfalls erklärte nach dem Verkauf an Funke, dass er jede Wette eingehe, dass Springer in fünf Jahren besseren Journalismus machen werde als heute. „Ob das stimmt, wird sich zeigen“, sagt Fischer. „Mit unserem Kerngeschäft haben die Ankäufe der letzten Jahre nichts zu tun.“