
Macrons Turbo
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Macrons Mut zur Veränderung hätte man sich in den vergangenen Jahren auch in Deutschland gewünscht, macht aber beinahe schwindelig und weckt enorme Erwartungen.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron lässt keinen Zweifel mehr daran aufkommen, es mit der Neubelebung der Kernenergie ernst zu meinen. Jahrelang auf dem absteigenden Ast, will er diesem einst stolzen Industriezweig zu alter Stärke verhelfen, erstmals seit Jahrzehnten wieder in großem Stile neue Reaktoren bauen und so unabhängig von den Launen fremder Mächte große Mengen an kohlenstoffarmem Strom produzieren, den es in der dekarbonisierten Energiewelt von morgen braucht. Sogar den mitunter noch langsamer als in Deutschland mahlenden Mühlen der französischen Verwaltung will Macron jetzt einen Turbo verordnen: Noch vor Ende seiner Amtszeit als Präsident sollen nach seiner Vorstellung Spatenstiche gesetzt werden, damit von Mitte der 2030er-Jahre an die ersten Reaktorneubauten stehen.
Dafür will er Gesetze umschreiben, den Umweltschutz schleifen und den Energiekonzern Électricité de France (EDF) zu 100 Prozent zurück in die Staatshand überführen. Kaum ein Stein bleibt auf dem anderen, zumal der trotz großen Erzeugungspotentials in Frankreich lange Zeit vernachlässigte Ausbau der Wind- und Sonnenenergie parallel laufen soll. Nicht zu vergessen die Ertüchtigung der Stromnetze und der Hochlauf einer Wasserstoffwirtschaft. Macrons Mut zur Veränderung hätte man sich in den vergangenen Jahren auch in Deutschland gewünscht, macht aber beinahe schwindelig und weckt enorme Erwartungen – allen voran an die Fähigkeit der zentralen energiepolitischen Schaltstelle EDF, nach Jahren der Misswirtschaft den Schalter wieder umzulegen. Tausende Fachkräfte müssen angeheuert und die sich häufenden Probleme im gealterten Kraftwerkspark langfristig behoben werden. Das kann nur gelingen, wenn trotz Vollverstaatlichung nicht Politiker und Beamte, sondern Techniker und Controller bei EDF das Sagen haben.
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