Fragwürdige Praxis : Amazon vernichtet massenhaft neuwertige Produkte
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Das Amazon-Logistikzentrum in Leipzig (Sachsen). Bild: Picture-Alliance
Rücksendungen gehören im Online-Handel zum Alltag. Offenbar ist es bei Amazon aber auch Usus, ungewollte Artikel auf direktem Weg in den Müll zu verfrachten. Auch externe Anbieter nutzen diesen „Service“.
Der Onlinehändler Amazon vernichtet offenbar im großen Stil Retouren und neuwertige Produkte. Das berichten das ZDF-Magazin „Frontal 21“ (Dienstag, 12. Juni 2018, 21.00 Uhr) und die „Wirtschaftswoche“. Interne Produktlisten, Fotos und Aussagen von Mitarbeitern belegen demnach, dass in großem Umfang Güter aller Art in den deutschen Logistiklagern entsorgt werden – beispielsweise Kühlschränke, Wasch- und Spülmaschinen, Handys, Tablets, Matratzen und Möbel.
Eine Amazon-Mitarbeiterin berichtet, dass sie jeden Tag Waren im Wert von mehreren zehntausend Euro vernichtet habe. Mehrere Beschäftigte kritisierten übereinstimmend, Amazon entsorge nicht nur unbrauchbare Produkte, sondern zerstöre auch funktionstüchtige, teilweise sogar neue Produkte.
Amazon bestreite die Vernichtung von Waren nicht, habe aber mitgeteilt, dass das Unternehmen jeden Tag an der Verbesserung von Prozessen arbeite, um „so wenig Produkte wie möglich entsorgen zu müssen“. Weiter heißt es: „Wenn Produkte nicht verkauft, weiterverkauft oder gespendet werden können, arbeiten wir mit Aufkäufern von Restbeständen zusammen, die diese Waren weiterverwenden.“
Versandmethode „Destroy“
Jochen Flasbarth, Staatssekretär im Bundesumweltministerium, fordert Amazon auf, die Vorwürfe aufzuklären. „Das ist ein riesengroßer Skandal, denn wir verbrauchen auf diese Weise Ressourcen mit allen Problemen insgesamt auf der Welt. Ein solches Vorgehen passt einfach nicht in diese Zeit.“ Und weiter: „Ich bin überzeugt, dass viele Verbraucher von einem solchen Verhalten schockiert sind und es auch nicht akzeptieren werden“, so Flasbarth.
Der ehemalige Umweltminister Klaus Töpfer nennt die Praxis von Amazon „unverantwortlich“. Die Umweltorganisation Greenpeace fordert Konsequenzen: „Wir brauchen ein gesetzliches Verschwendungs- und Vernichtungsverbot für neuwertige und gebrauchsfähige Ware“, sagt Greenpeace-Expertin Kirsten Brodde.
Deutschlands größter Onlinehändler bietet auch externen Anbietern, die den Logistikservice „Versand durch Amazon“ nutzen, die Möglichkeit, unverkaufte Lagerbestände zu entsorgen. „Sie können Ihren Lagerbestand auf Wunsch von uns entsorgen lassen“, heißt es in einer Angebotsübersicht von Amazon.
Interne Dokumente zeigen den Medienberichten zufolge, dass der Service offenbar rege genutzt wird. Auf Produktlisten, die „Frontal 21“ und der „Wirtschaftswoche“ vorliegen, tauchen zum Beispiel Kinderturnschuhe, Kopfhörer sowie Hunderte weitere Artikel auf – für einen einzigen Tag, in einem einzigen Lager. Sie wurden intern mit der Versandmethode „Destroy“ gekennzeichnet.
Dass Händler dafür kritisiert werden, Ware zu zerstören, ist indes nicht neu. So berichtete die „New York Times“ schon vor acht Jahren, dass die Modehändler H&M neuwertige Kleidung verbrennt, im vergangenen Herbst wurde diese Praxis abermals von dänischen Journalisten aufgedeckt. H&M sagt, dass es sich dabei um mangelhafte Ware handele. Ähnlich wie bei Elektronikartikeln wird von KIeidung deutlich mehr produziert als verkauft wird. Zudem wird in Zeiten der massenhaften Warenbestellung im Internet auch immer mehr Ware von Kunden retourniert. Deutsche kaufen allein 100 Millionen Paar Jeans im Jahr, Europäer besitzen im Schnitt 10.000 Dinge.