Alternative Internetunternehmen : Profiteure der Enthüllungen
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Anfällig für Eingriffe von außen Bild: dpa
Die Enthüllungen rund um die Datenspäh-Programme haben für Internet-Anbieter sichererer Lösungen positive Folgen: Alternative E-Mail-Dienste und Suchmaschinen verzeichnen einen Zulauf.
Ein kleines Berliner Unternehmen bekommt gerade die Enthüllungen rund um die Datenspäh-Programme Prism und Tempora direkt zu spüren. Das Internetunternehmen Posteo war vor gut drei Jahren eigentlich angetreten, um einen umweltfreundlichen E-Mail-Dienst anzubieten, der auf Großrechnern mit Ökostrom läuft. Eher beiläufig fasste Gründer und Geschäftsführer Patrik Löhr den Entschluss, die E-Mail-Kommunikation seiner Kunden auch sicherer zu machen: Posteo arbeitet per Standard mit allen gängigen Verschlüsselungsmethoden. Vor allem aber erhebt es von seinen Kunden so wenige Daten wie möglich. Wer will, kann sich sogar ganz anonym anmelden und die Kosten von 1 Euro im Monat per Brief an das Unternehmen schicken. 10 bis 15 Prozent der Nutzer würden auf diese eher untypische Bezahlmethode zurückgreifen, sagt Löhr.
Bis Anfang Juni interessierte Löhrs Dienst eine eher überschaubare Zahl von Menschen. „Vor den Enthüllungen standen wir an der Schwelle zur fünfstelligen Nutzerzahl“, sagt Löhr. Doch seitdem der Informant Edward Snowden mit seinen Aufdeckungen zu den Spähprogrammen der amerikanischen und britischen Regierung Schlagzeilen macht, sei die Nachfrage explosionsartig gestiegen. „Wir sind um 30 Prozent gewachsen“, sagt Löhr und muss nun selbst aufstocken: Seit dieser Woche sucht er einen weiteren Softwareentwickler.
IP-Adressen werden nicht erfasst
Auch wenn es im Internet auch schon vor den nun aufgedeckten Datenspäh-Skandalen keine absolute Sicherheit gab und Nutzer nur mit Aufwand eine relative Sicherheit herstellen können, verzeichnen inzwischen einige Anbieter von datensparsameren Internetdiensten gerade einen Nutzerzuwachs. So stiegen zum Beispiel die direkten Suchanfragen auf der amerikanischen Suchmaschine Duckduckgo schon in der ersten Woche der Enthüllungen Anfang Juni um rund 15 Prozent. Die Suchmaschine positioniert sich selbst als Herausforderer von Google und wirbt etwa mit vergleichender Werbung, dass Google die Daten seine Nutzer sammele und deren Suchverhalten verfolge - und Duckduckgo eben nicht.
Mit dem gleichen Versprechen hat es auch das niederländische Unternehmen Surfboard Holding geschafft, die Nutzung seiner Produkte seit Anfang Juni um mehr als 35 Prozent zu steigern. Gingen auf den zum Unternehmen gehörenden Suchmaschinen Ixquick.com und Startpage.com vor dem Beginn des Skandals rund drei Millionen Suchanfragen am Tag ein, waren es zuletzt tageweise mehr als vier Millionen. Zwar rangieren die alternativen Suchmaschinen mit diesen Anfragen noch immer weit hinter dem Marktführer Google, der zum Beispiel in Deutschland auf einen Marktanteil von etwa 90 Prozent kommt. Doch suchen augenscheinlich immer mehr Menschen nach einer sichereren Suchmaschine.
Dabei unterscheidet sich auch das Geschäftsmodell der holländischen Suchmaschinen Ixquick beziehungsweise Startpage nicht von dem anderer Suchmaschinenanbieter. Wer dort sucht, sieht auch Werbeanzeigen, mit denen das Unternehmen sein Geld verdient. Allerdings beziehen diese Anzeigen nur die aktuelle Suchanfrage ein und nicht, was ein Nutzer davor gesucht hat. Auch verzichtet die Suchmaschine darauf, die IP-Adresse von Internetnutzern zu erfassen, über die der Standort von Computern identifiziert werden kann. Und sie verwendet keine Cookies, also kleine Programmschnipsel, mit denen Werbetreibende Nutzer markieren können, um ihnen auf der Reise durch das Internet zu folgen.
Mehr Sicherheit für den Preis einer Tasse Kaffee
Doch war Ixquick zu Anfang seiner Geschichte selbst ein Datenspeicherer, sagt Manager Alex van Eesteren: „Bis vor sieben Jahren haben wir auch viele Daten der Nutzer gesammelt.“ Für den Umschwung sorgte damals ebenfalls ein Datenskandal: Das amerikanische Internetunternehmen AOL hatte 2006 vorgeblich zu Forschungszwecken Suchdaten von mehr als 600.000 Kunden im Internet veröffentlicht. Zwar waren die Daten anonymisiert, aber eben auch so detailliert, dass es Bloggern gelang, den Nummern wieder richtige Namen zuzuordnen. Das seit 1998 existierende Ixquick sah in der Abstinenz von der Datensammlung eine Marktlücke. „Wir glauben, dass die Nutzer das Recht haben, dass ihre Privatsphäre beim Suchen geschützt wird“, sagt Eesteren heute. „Wir könnten zwar die Daten der Nutzer behalten und würden damit womöglich eine Menge Geld verdienen. Aber wir machen es nicht mehr.“
Als nächsten Schritt wird Ixquick nun unter dem Namen Startmail ebenfalls einen sichereren E-Mail-Dienst auflegen. Für die Testversion haben sich bisher rund 45.000 Menschen angemeldet. In der Endfassung wird der Dienst ähnlich wie der von Posteo kostenpflichtig sein. „Es wird wohl im Monat auf den Preis einer Tasse Kaffee hinauslaufen“, sagt Eesteren. Es sei ein Trugschluss, dass das Internet umsonst sei. „Die Menschen bezahlen dort mit ihren Daten. Und die Gruppe, die das nicht mehr will, wird größer.“
Werkzeuge für etwas mehr Anonymität
Ein absoluter Schutz vor Ausspähung im Internet existiert de facto nicht. Aber es gibt einige Hilfsmittel, mit denen sich Nutzer zumindest etwas anonymer durchs Netz bewegen können.
Anti-Tracking-Werkzeuge
Internetzugangsprogramme wie der Firefox-Browser von Mozilla oder der Chrome-Browser von Google bieten eine Reihen von Zusatzprogrammen, mit denen sich Nutzer vor der Verfolgung durch Cookies schützen können. Die Programme wie Donottrackme oder Ghostery müssen als sogenannte Add-Ons zusätzlich installiert werden. Da manche von ihnen aber auch bestimmte grafische Bestandteile von Internetseiten blockieren, können sie dazu führen, dass die Seiten nicht so dargestellt werden wie gewohnt.
Suchmaschinen
Suchwerkzeuge wie duckduckgo.com, Ixquick.com, Startpage.com oder Metager.de die sammeln keine Daten der Nutzer. Startpage bietet dabei sogar die selben Ergebnisse wie Google, ohne die Nutzerdaten mit dem Suchmaschinenkonzern zu teilen.
E-Mails
Werbefreie und datensparsamere E-Mail-Dienste wie Posteo kosten meist Geld. Doch bieten sie besonderen Schutz der Daten, indem sie diese auf ihren eigenen Servern verschlüsseln. Auch der Versand der Mails an herkömmliche E-Mail-Anbieter erfolgt verschlüsselt - wenn diese denn ein spezielles Sicherheitszertifikat aktiviert haben, woran es bei deutschen Anbietern wie Gmx.de und Web.de nach Angaben von Posteo-Geschäftsführer Patrik Löhr hapert. Wer nicht auf die kostenpflichtigen Dienste zurückgreifen will, muss sich mit der PGP-Verschlüsselung vertraut machen. Dabei verschlüsselt ein E-Mail-Absender seine Nachricht und der Empfänger kann sie nur lesen, wenn er einen vorher überstellten Dekodierungsschlüssel zur Verfügung hat.
Volle Anonymisierung
Eine Zwiebel soll für eine volle Verschleierung sorgen: Wer sich den Browser Tor (kurz für The Onion Router, der Zwiebelrouter) herunterlädt, verschickt seine Bewegungen im Netz über so viele Umwege, dass am Ende so gut wie niemand mehr die Schichten des eigentlichen Bewegungsablaufs entwirren kann. Auch Tor muss extra installiert werden, allerdings verlangsamen diese Umwege die Internetverbindung.
Dokumentenverschlüsselung
Um sensible Dokumente auf dem eigenen Computer zu verschlüsseln, gibt es ebenfalls Zusatzprogramme wie Truecrypt oder Boxcryptor.