Auf Schiffen brennt es immer häufiger
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Die Containerschiffe werden immer größer. Bild: AP
Allein in den vergangenen fünf Jahren hat es 70 Mal auf großen Schiffen gebrannt. Ein Grund dafür ist, dass Container mit Gefahrgut nicht oder falsch deklariert sind. Besonders hoch ist das Brand-Risiko beim Transport von E-Autos.
Im Prinzip scheint der Trend positiv: Von Jahr zu Jahr gehen weniger große Schiffe verloren, seit 2015 ging die Zahl kontinuierlich von 105 auf 54 im vergangenen zurück. Gleichwohl ist von „Stürmischer See“ die Rede, wenn die Allianz in ihrer Schifffahrtsstudie auf das aktuelle Geschehen blickt, weil es neben der Sicherheit eine Reihe von neuen Problemen zwischen Kriegsfolgen und Transportboom gibt. Nicht zuletzt die Umsetzung der jeweils aktuellen Sanktionen gegen Russland erfordert einiges an Flexibilität.
Auf hoher See sind es vor allem die zunehmenden Brände, mit denen die Schifffahrt zu kämpfen hat. Allein in den vergangenen fünf Jahren hat es 70 Mal auf großen Schiffen gebrannt. Ein Grund dafür ist unter anderen, dass Container mit Gefahrgut nicht oder falsch deklariert seien. Das betreffe etwa 5 Prozent der verschifften Container, berichtet Anastasios Leonburg, der als Ingenieur mit nautischem Kapitänspatent in der Industriesparte der Allianz sein Praxiswissen einbringt. Häufig handele es sich dabei um Chemikalien, die schwer zu löschen seien.
Auch Autofrachter werden von den Risikoexperten skeptisch betrachtet, weil sich dort häufig Brände durch elektrische Kurzschlüsse entwickeln. Besonders hoch sei das Risiko im Fall von Elektroautos. Die Lithium-Ionen-Akkus seien hoch entzündlich. „Und wenn es zu einem Brand kommt, sind sie mit den heutigen Möglichkeiten nur sehr schwer zu löschen und sie brennen sehr lange“, erklärt Leonburg. Wenn sich das Feuer nicht unter Kontrolle bringen lässt, gerät nicht nur die komplette Ladung in Gefahr, sondern auch die Besatzung, die das Schiff dann verlassen muss – wodurch der Gesamtschaden für Schiff und Umwelt noch viel größer wird. Als Beispiel nennt die Allianz-Studie den Autotransporter Golden Ray, der im Herbst 2019 mit 4200 Fahrzeugen an Bord vor der amerikanischen Ostküste in Brand geriet und dann kenterte. Die Bergung dauerte fast zwei Jahre und kostete 800 Millionen Dollar.
Auch die Pandemie wirkt sich aus
Im Gegensatz zu früher verlangten die Behörde heute, dass Wracks entfernt werden und die Meeresumwelt wieder hergestellt werde, gibt Leonburg zu bedenken. Zunehmend seien die Versicherungen damit befasst, die Eigentümer der Ladung zu belangen, sich an den Kosten für solche größeren Schäden zu beteiligen. Von „Havarie Grosse“ ist dann im Expertenjargon die Rede – etwa, wenn es um Fälle wie die Ever Given geht, die im vorigen Frühjahr den Suezkanal blockierte und deren Schwesterschiff Ever Forward, die dieses Frühjahr in der Chesapeake Bay nahe Washington auf Grund lief.
Im Fall der immer größer werdenden Schiffe brauche es auch besondere Geräte, Schlepper, Kräne und Hafeneinrichtungen, was den Zeit- und Kostenaufwand der Bergung erhöht. Die Häfen, die um Hilfe angefragt würden, wenn es zu einem Unglück komme, seien dem Umfang der Probleme oft nicht gewachsen und lehnten deshalb die Einfahrt ab, schildert Leonburg die mit der Größe der Schiffe zunehmenden Schwierigkeiten. So hätten im Fall der X-Press Pearl, die vor Colombo in Brand geriet und dann kenterte, zwei Häfen in der Nähe die Zuflucht verweigert, weil sie nicht in der Lage oder bereit waren, die Salpetersäure aus dem lecken Tank zu entladen.
Die Sicherheit auf den Meeren hat auch durch die Corona-Pandemie und ihren Folgen gelitten. Gerissene Lieferketten in Verbindung mit einer hohen Nachfrage nach Schiffstransporten, haben Häfen und Menschen überlastet. Die Nachfrage nach Crewmitgliedern sei hoch, doch viele qualifizierte und erfahrene Seeleute verließen die Branche, heißt es in der Allianz-Studie. Unter den verbleibenden Seeleuten sei die Arbeitsmoral schlecht, weil der wirtschaftliche Druck und die Arbeitsbelastung hoch seien. „Eine solche Arbeitssituation erhöht die Fehlerneigung. 75 Prozent der Zwischenfälle in der Schifffahrt sind auf menschliches Versagen zurückzuführen“, heißt es in der Allianz-Studie.
Die hohe Nachfrage nach Containertransporten habe einige Reedereien dazu verleitet, Massengutfrachter für den Containertransport einzusetzen oder Tanker umzubauen. Das sei aus statischen Gründen fragwürdig und werfe auch Fragen hinsichtlich der Brandbekämpfung auf. Zudem seien solche Schiffe nicht so gut manövrierfähig bei schlechtem Wetter. Die Allianz vermutet zudem, dass der aktuelle Boom die Schiffseigner dazu verleitet, ihre Flotte länger zu nutzen. Ältere Schiffe neigten aber eher zu Schäden, weil sie unter Korrosion litten und Systeme und Maschinen tendenziell häufiger ausfielen.
Das Durchschnittsalter der Schiffe, die in den vergangen zehn Jahren in einen Totalschaden verwickelt waren, lag bei 28 Jahren, so die Allianz. Allerdings sind immer wieder auch ganz neue Schiffe betroffen. Die X-Press war erst wenige Monate alt, als sie wegen der Salpetersäure ausbrannte. Der Autotransporter Golden Ray war noch keine zwei Jahre alt, als er in Brand geriet.