Air Berlin : Abgekartetes Spiel
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Air Berlin stellte den Insolvenzantrag. Nachdem Hauptaktionär Etihad erklärt habe, keine weitere finanzielle Unterstützung zur Verfügung zu stellen, sei man „zu dem Ergebnis gekommen, dass für die Air Berlin keine positive Fortbestehensprognose mehr besteht“. Bild: dpa
Air Berlin, Lufthansa und die deutsche Politik haben längst entschieden: Ein nationaler Champion der Lüfte soll entstehen. So geht Protektionismus.
Es ist ein Schauspiel, das vielleicht in ein paar Jahren in Management-Seminaren als ein Lehrstück behandelt werden wird. Als Beispiel für geschicktes Taktieren, den Nutzen persönlicher Kontakte, erfolgreiche politische Lobbyarbeit. Und dafür, wie man sich einen unliebsamen Konkurrenten vom Hals hält. Dieses Schauspiel führt uns gerade Carsten Spohr vor, der Chef von Lufthansa.
Er sitzt gewissermaßen im Pilotensessel, wenn es um die Frage geht, was aus dem insolventen Konkurrenten Air Berlin werden soll. An ihm vorbei wird es keine Entscheidung geben. Er ist der mächtigste Spieler im Ringen um die Zukunft von Deutschlands zweitgrößter Fluglinie. Am Dienstag kam die Meldung, dass Air Berlin Insolvenz angemeldet hat, weil der Großaktionär Etihad aus den Vereinigten Arabischen Emiraten keine Finanzmittel mehr bereitstellt. Der Bund hat mit einem Staatskredit verhindert, dass der Flugbetrieb sofort eingestellt wurde. Aber das Geld wird nur ein paar Wochen reichen. Bis dahin wird Air Berlin wohl zerschlagen und an mehrere Käufer veräußert. Niemand geht davon aus, dass die Fluglinie langfristig weiterbestehen wird.
Neben der Lufthansa sollen sich auch die Ferienflieger TUI fly und Condor, der Billigflieger Easyjet und der Unternehmer Hans Rudolf Wöhrl für Teile von Air Berlin interessieren. Wer am Ende was bekommt, darüber wird auch Carsten Spohr mitentscheiden. Dass sich überhaupt jemand für das Unternehmen Air Berlin interessiert, obwohl es seit Jahren steigende Verluste anhäuft, liegt an einem Gut, das in der Luftfahrt einen hohen Wert hat: das Recht einer Fluggesellschaft, in einem bestimmten Zeitfenster starten oder landen zu dürfen. Experten sprechen von einem Slot, der immer für zehn Minuten gilt. Solche Slots sind an den großen Flughäfen begehrt. Denn zu den Spitzenzeiten am Morgen und Abend wollen am liebsten alle fliegen dürfen. Doch die Kapazität der Start- und Landebahnen ist begrenzt. Wer keinen Slot dafür hat, muss auf unattraktive Zeiten ausweichen. Oder lässt es lieber ganz.
Air Berlin besitzt viele solcher Slots. In Berlin-Tegel und Düsseldorf ist sie sogar die größte Fluglinie mit Flugrechten für die attraktiven Zeiten. Die wollen die Konkurrenten nun gerne haben. Zum Beispiel die Lufthansa und ihre Tochtergesellschaft Eurowings, die an beiden Standorten gerne die Nummer eins wäre. Aber auch die ausländischen Billigflieger wie Easyjet oder Ryanair, die den deutschen Markt erobern wollen, wo der Billiganteil im Vergleich zum Rest Europas noch klein ist. Oder die Condor, die von Düsseldorf aus die touristischen Fernziele in Übersee ansteuern will.
Dass Lufthansa-Chef Carsten Spohr in der nun laufenden Schacherei um die Reste von Air Berlin den Ton angibt, hat er geschickt eingefädelt. Erst bot er sich im vergangenen Jahr als Unterstützer von Air Berlin an, als er 38 Flugzeuge samt Besatzung von der strauchelnden Fluglinie anmietete – und ihr damit dringend benötigtes Geld besorgte. Gleichzeitig begann er eine Kooperation mit Haupteigentümer Etihad. Dann installierte er seinen Freund und alten Lufthanseaten Thomas Winkelmann als neuen Chef von Air Berlin. Der direkte Draht zwischen beiden ist nun Gold wert. Und schließlich pflegte er die politischen Beziehungen in Berlin. Die Bundesregierung hat er für seine Ziele gewonnen. „Wir brauchen einen deutschen Champion im internationalen Luftverkehr“, sagt Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU). Dieser Champion soll natürlich Lufthansa heißen – und braucht dazu die wertvollsten Teile von Air Berlin.