Führungsstreit bei Volkswagen : Ein Weckruf auf höchstem Niveau
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In Ungnade gefallen: Volkswagen-Chef Martin Winterkorn ist im Ansehen des Ferdinand Piech gesunken. Bild: Reuters
Noch in dieser Woche könnten sich VW-Patriarch Ferdinand Piëch und Konzernchef Martin Winterkorn treffen. Für den Zwist gibt es im großen Reich des Unternehmens viele Gründe. Es geht um zu teure Technik und nicht verstandene Kunden. Und ums Dienen. Eine Analyse.
Die Allianz der Männer bröckelt. Auf dem Weg zur Nummer eins unter den global handelnden Autogiganten haben sich für den Volkswagenkonzern aus relativ wenig bedecktem Himmel plötzlich Blitz und Donner erhoben. Ferdinand Piëch, der Meister der einfachen Sätze mit hohem Gewicht und des strategischen Denkens, kennt in seiner Vision vom Weltkonzern keine Rücksichten. Was wirklich zählt für Piëch, das ist Leben und Wesen der Marke VW, der Blick voraus und das Schaffen von Bastionen des technischen Denkens, sie ist die Gallionsfigur dieses automobilen Riesen-Konstruktes aus Masse und Marktmacht, aus elitärem Fortschritt, Sport, Prestige und wohl auch Glamour. Ein Autoreich, in dem die Sonne nicht untergeht, aber immer stärkere Konkurrenten auftauchen, die härter und konsequenter reagieren können. Da war es wohl an der Zeit, dass diese unausgesprochene, aber spürbare Zufriedenheitsattitüde mit Schulterklopfen und Kameraderie auf der höchsten Führungsebene dem kalten Wind der scharfen Kritik des obersten Kritikers ausgesetzt wurde.
Piëch versteht sich selbst in seiner führungsnahen, doch nicht offen und nicht direkt eingreifenden Position, als Mahner und Katalysator für kreative Unruhe, der wie schon erprobt seine Wege findet, über die interessierte Öffentlichkeit die Steine ins Rollen zu bringen. Und bei VW kann es nicht nur aus Piëchs Sicht niemals Grund für Friede, Freude und Eierkuchen geben. Ein Ruhekissen kennt Piëch nicht, seine Natur ist auf die Annahme einer jeglichen Herausforderung gerichtet. Zumindest dann, wenn er sicher ist, sie zu bestehen.
Amerika nie verstanden
Offensichtlich hat nach Einschätzung von Piëch der Konzern bereits glimmende Stellen unter dem Dachstuhl. Und keiner, nein, doch einer, nämlich er, hat es bemerkt und will Reaktionen provozieren, noch ehe das Feuer auf dem Dach ist. Und nicht erst seit gestern droht der Markenbrand. Deshalb lohnt ein Blick auf Struktur und Strategie des größten Autokonzerns in Europa, der gezwungen ist zur Größe. Für kritische Überlegungen gibt es viele Gründe, von denen keiner alleine einen Abgrund auftut, aber die in ihrer Summe dafür gesorgt haben, dass Piëch mit einem dieser Sätze, die sich wie ein Orakel anhören, die Aufmerksamkeit der Markenchefs schärft.
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Dabei geht es um zu teure Technik und unsichere Modellpolitik, um das Fehlen von konsequentem Handeln bei der Reduzierung von Produktionskosten, um das mangelnde Verstehen von Märkten und Menschen und um die nicht erkannte Macht der Visionen. Allen Beteuerungen zum Trotz ist es VW nicht gelungen, in wichtigen Regionen dominierend aufzutreten: Die Kunden in den Vereinigten Staaten wurden nie wirklich verstanden. Und der einst als Hoffnungsträger geltende Markt in Brasilien ist mehr oder weniger zusammengebrochen. VW hat keinen Plan B, wie darauf zu reagieren wäre. Bisher galt der chinesische Markt als Erfüllungsgehilfe für die globale Strategie. Doch auch hier zeichnen sich Probleme ab, und der Erfolg wird in China vom Aufschwung der chinesischen Wirtschaft und weniger von der Attraktivität der Modelle getragen. Wie das wird, wenn es dort nicht mehr so brummt und summt, das mag man sich in Wolfsburg kaum vorstellen.