Umweltverschmutzung : Wege aus der Plastikkrise
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Ein Mann sammelt Plastik und andere wiederverwertbare Materialen an der von Plastiktüten und sonstigen Müll übersäten Küste des Arabisches Meeres. Bild: dpa
Gegen die Vermüllung der Weltmeere fordern Umweltschützer radikale Maßnahmen. Damit treffen sie einen Nerv in der Bevölkerung. Doch die Suche nach Alternativen dauert und kostet.
Die Deutschen sind mit Mülltrennung und Recycling längst nicht die Weltmeister, für die sie sich zuweilen halten. Statt der offiziellen Wiederverwertungsquote von 45 Prozent werden gerade einmal 16 Prozent der hiesigen Plastikabfälle zu neuen Produkten verarbeitet. Denn der überwiegende Teil des Mülls wird verbrannt oder ins Ausland verkauft – wobei dabei behauptet wird, dass in Ländern wie Malaysia kein Recycling mehr stattfindet. Das ist Ergebnis einer Auswertung des Umweltverbands BUND und der Grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung. Von einer Kreislaufwirtschaft könne kaum gesprochen werden, lautet deshalb ein Fazit in ihrem am Donnerstag veröffentlichen „Plastikatlas“. Er ist gespickt mit zahlreichen weiteren Zahlen und Schaubildern.
Die meisten der Ergebnisse zum Müll sind in der Größenordnung nicht neu, sollen aber auch Sicht der Autoren den enormen Handlungsbedarf zur Bewältigung der „Plastikkrise“ verdeutlichen. Neben „Klimakatastrophe“ und „Artensterben“ sei diese die „dritte große Herausforderung für die Menschheit“, heißt es in der Ankündigung. Zudem will man verdeutlichen, dass nicht die Verbraucher Schuld sind, „sondern dass insbesondere international agierende Unternehmen ihrer großen Verantwortung nicht nachkommen“.
Konzerne wie Coca-Cola, Pepsi und Nestlé gehörten dabei zu den größten Übeltätern. Sie trügen zur Verschmutzung der Weltmeere erheblich bei. Unter Verweis auf die Zählung von knapp 190.000 Plastikmüllstücken in 42 Ländern, die zahlreiche Organisationen und Aktivisten im vergangenen Jahr durchführten, waren Erzeugnisse dieser Lebensmittelhersteller ganz vorne dabei. Allein Coca-Cola befüllte zuletzt 167.000 Einweg-Plastikflaschen – pro Minute. Auf deutscher Seite steht vor allem der Ludwigshafener Chemieriese BASF im Visier der Umweltschützer. Er ist neben ExxonMobil und DowDuPont aus Amerika führender Hersteller in der Herstellung von Plastik.
„Keiner will derzeit groß Geld in die Hand nehmen“
Mit großer Sorge beobachte man, wie die Produktion immer weiter zunehme und nicht einmal ein von zehn Kunststoffteilen weltweit recycelt wird, so Tenor des „Plastikatlas“. Allein die Klimawirkung sei verheerend, da Plastik zu 99 Prozent aus Kohle, Öl und Gas hergestellt werde. Vor allem aber berge der Müll eine erhebliche Gefahr für Menschen, Tiere und Pflanzen. Eine globale Regulierung sei vonnöten, europäische Strategien zur Vermeidung allerdings nicht minder bedeutend. Immerhin sei die EU mit einem Anteil von 16 Prozent an der weltweiten Produktion von Einwegplastik neben Amerika, Japan und China Hauptemittent.
Mit ihrer Kunststoffstrategie hat sich die EU im vorigen Jahr auf eine Stärkung der Kreislaufwirtschaft verständigt. Bis zum Jahr 2030 sollen alle Kunststoffverpackungen recycelbar sein, zudem wurden Einwegprodukte wie Gabeln und Trinkhalme verboten und gab es von der Industrie freiwillige Zusagen zu einer Recyclingquote. BUND und Böll-Stiftung reicht das aber bei weitem nicht. Allein die Tatsache, dass die Europäische Kommission 75 Prozent ihrer Treffen vor Verabschiedung der Kunststoffstrategie mit Industrievertretern bestritt, zeige, wie die Regulierung auf „Lobbydruck“ hin verwässert worden sei. Zu den weitergehenden Forderungen gehören ein Verbot von Mikroplastik und Maßnahmen, um Plastik teurer und Mehrweg-Verpackungen konkurrenzfähig zu machen.
In der Bevölkerung scheinen die Umweltschützer damit einen Nerv zu treffen. Jeder zweite Deutsche habe schon einmal auf den Kauf von Produkten verzichtet, die augenscheinlich nicht nachhaltig genug verpackt gewesen seien. Knapp 20 Prozent täten dies sogar regelmäßig. Das ist Ergebnis einer im Mai durchgeführten repräsentativen Befragung im Auftrag des Deutschen Verpackungsinstituts. Allerdings hätten auch die Hersteller den Ernst der Lage begriffen und suchten nach Lösungen, meint Henning Wilts, Leiter des Forschungsbereichs Kreislaufwirtschaft am Wuppertal Institut, im Gespräch mit der F.A.Z. Das Problem: Die Umstellung auf wiederverwertbare Alternativen dauert und kostet.
„Alle hätten gerne klare Aussage, wohin die Reise gehen soll“, sagt Wilts. Auch Konzerne wie Coca-Cola hätten klar kommuniziert, handeln zu wollen. Dass nach Einschätzung der Kommission bis zum Jahr 2025 europaweit 10 Millionen Tonnen recyclingfähiges Kunststoff hergestellt werden dürfte, die Industrie sich aber bislang nur zur Abnahme von rund 6 Millionen Tonnen bereiterklärte und die freiwillige Selbstverpflichtung noch hinter den Zielen hinterhinke, mache das Problem deutlich. „Keiner will derzeit groß Geld in die Hand nehmen“, so Wuppertal-Ökonom Wilts. Man brauche zu günstigen Preisen in konstanter Qualität absolute Verfügbarkeit von Recyclingplastik. Daran mangele es noch.