Technik /Maschinenbau : Siemens könnte bald bei Alstom einsteigen
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Frankreich erwägt offenbar der Siemens AG eine Beteiligung an dem angeschlagenen Alstom-Konzern anzubieten. Paris will Deutschland nach der Übernahme von Aventis besänftigen.
Die französische Regierung erwägt nach offiziell bisher nicht bestätigten Berichten, der Siemens AG eine Beteiligung an dem angeschlagenen Industriekonzern Alstom anzubieten. Dies wird in Paris als eine Kompensation für die durch die Regierung Raffarin mit großem Einsatz unterstützte Einverleibung des französisch-deutschen Pharmakonzerns Aventis durch seinen Pariser Konkurrenten Sanofi verstanden. Eine konkrete Entscheidung ist jedoch noch nicht gefallen.
Der Vorstandsvorsitzende von Siemens, Heinrich von Pierer, hielt sich am Mittwoch mit Äußerungen zum Thema Alstom zurück, bestätigte aber, bei einem Treffen mit Frankreichs Premierminister Jean-Pierre Raffarin in diesen Tagen über das französische Unternehmen gesprochen zu haben. Raffarin habe die Ansicht von Siemens bestätigt, daß die Unternehmenslandschaft "starke europäische Champions" brauche, berichtete Pierer, der zu den Wirtschaftsberatern Raffarins gehört.
Pierer: „Wir üben keinen Druck aus.“
Spekulationen über eine Art Handel zwischen den Regierungen in Paris und Berlin über die Zukunft von Aventis und Alstom kursierten schon seit Wochen an der Seine. Das auffallende Schweigen, mit dem die Bundesregierung lange Zeit die Versuche der französischen Politik begleitete, eine Verbindung von Sanofi und Aventis zu erzwingen, wurde in Industriekreisen als Hinweis verstanden, daß Paris der Bundesregierung bereits stillschweigend eine Gegenleistung versprochen habe.
"Was mit Alstom passiert, müssen die Franzosen selbst wissen", sagte Pierer. "Wir üben auf keinen Fall Druck aus." Angesprochen auf eine mögliche Klage von Siemens gegen eine Entscheidung der EU-Kommission über Staatshilfen für Alstom, sagte Pierer: "Ich habe volles Vertrauen in Herrn Monti." Mario Monti, der Wettbewerbskommissar der EU, habe schon in vielen Fällen seine Unabhängigkeit bewiesen.
Wirtschaftsminister Sarkozy hat sich des Dossiers angenommen
Da Siemens schon lange stark in Frankreich präsent ist, käme eine Einladung, sich an der Sanierung von Alstom zu beteiligen, nicht unerwartet. Alstom ist mit einem Umsatz von rund 20 Milliarden Euro vor allem in den Branchen Energie und Verkehrstechnik tätig und besitzt daneben einen kleineren Geschäftsbereich Schiffbau. Das hochverschuldete und ertragsschwache Unternehmen konnte 2003 nur mit massiver Hilfe des Staates und von Banken vor dem Zusammenbruch gerettet werden. Der damals beschlossene Sanierungsplan steht unter dem Vorbehalt einer Genehmigung durch die Europäische Kommission, die darüber in den kommenden Wochen entscheiden will.
Der französische Wirtschafts- und Finanzminister Nicolas Sarkozy hat sich nun in Paris des Dossiers angenommen, da sich Alstom trotz des Sanierungsplans in einer äußerst schwierigen Situation befindet. Das Unternehmen erhält zwar Aufträge, doch ist die Ertragslage noch schlechter als befürchtet, und die finanziellen Reserven sind nahezu aufgebraucht. Auf Druck der Regierung haben die wichtigsten Gläubigerbanken die Neuverhandlung von Kreditkonditionen auf September vertragt, um dem Unternehmen und der Politik Zeit für eine Lösung der Schwierigkeiten zu geben. Alstom wird von der Börse lediglich mit rund zwei Milliarden Euro bewertet. In den vergangenen Wochen war in Paris eine "nationale Lösung" für Alstom erwogen worden und hierbei an eine Anbindung an den finanzstarken staatlichen Atomkonzern Areva gedacht worden. Dies käme einer Verstaatlichung von Alstom gleich, die vor allem von den Gläubigerbanken begrüßt würde. Die Areva, die ihrerseits mit Siemens in der Nukleartechnik zusammenarbeitet, wehrt sich bisher gegen das Projekt.
An Totalübernahme wahrscheinlich kein Interesse
Wie eine Einbindung von Siemens in die Rettung von Alstom aussehen könnte, ist bisher unklar. Die Münchner dürften an einer Totalübernahme, die überdies wettbewerbsrechtliche Probleme mit sich brächte, keinerlei Interesse besitzen. Statt dessen könnte sie vor allem der Kauf von Teilen der Energiesparte reizen. Damit würde Alstom aber seines rentabelsten Geschäftsbereichs beraubt. Ob Siemens an der Verkehrstechnik von Alstom Gefallen fände, gilt in der Branche als zweifelhaft. Überdies wird diese Sparte in Frankreich als eine Art "nationales Heiligtum" verehrt, da sie den Hochgeschwindigskeitszug TGV herstellt.