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Disruption : Stuttgarter Gründerluft auch für Konzerne

Mittelständische und größere Unternehmen finden in den Räumen die Chance, abseits des Konzerns Gründerluft zu schnuppern Bild: Archiv

Der Innovationscampus „Code-N Spaces“ in Stuttgart soll kräftig wachsen. Anders als typische Gründerzentren ist das ausdrücklich nicht nur für Jungunternehmer gedacht.

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          Den Gründergeist zu fördern ist modern geworden, auch unter Politikern, aber auf öffentliche Förderung zu warten wäre nicht die Art von Ulrich Dietz: „Wir packen das selbst an“, lautet die Devise des GFT-Vorstandsvorsitzenden, auch aus der Erkenntnis heraus, dass es kompliziert ist mit der Förderung: „Wir bekommen keinen Euro.“

          Susanne Preuß
          Wirtschaftskorrespondentin in Hamburg.

          Es läuft auch ohne: Vor einem Jahr hat GFT am neuen Stammsitz in Stuttgart den Innovationscampus „Code-N Spaces“ eröffnet, und jetzt ist schon die Erweiterung geplant. Dazu hat GFT zwei benachbarte Bürogebäude mit insgesamt 10.000 Quadratmetern gekauft, die in den nächsten Jahren renoviert und Schritt für Schritt zu einem Campus umgebaut werden sollen. Schon im Januar sollen 14 zusätzliche Büros eröffnen. Dazu kommen Räume und Flächen für Begegnungen wie auch für gemeinsames Arbeiten.

          Anders als typische Gründerzentren sind die Code-N Spaces ausdrücklich nicht nur für Jungunternehmer gedacht. Namen wie Bosch, Daimler oder Südwestbank stehen auch auf der Liste der Mieter. Und auch erfahrene Manager haben hier Büros angemietet, wie etwa Martina Merz. Die Maschinenbauerin war früher bei verschiedenen Autozulieferern tätig und übt jetzt mehrere Aufsichtsratsmandate aus, darunter bei der Lufthansa und bei Volvo. Oder Bernd Bohr, der im Bosch-Konzern das Autozulieferer-Geschäft führte und Mitglied im Daimler-Aufsichtsrat ist. Er will auf dem Laufenden bleiben, will wissen, was die Welt von morgen bewegen wird: "Man kann nicht nur aus der Erfahrung leben", hat Bohr erkannt – und ist doch zugleich bereit, andere an seinen Erfahrungen teilhaben zu lassen.

          „Diese Vermischung ist unsere Stärke“, sagt Ulrich Dietz: „Die Code-N Spaces sind sehr gut gebucht.“  Mittelständische und größere Unternehmen finden hier die Chance, abseits des Konzerns Gründerluft zu schnuppern – für fortlaufende Projekte oder auch temporär. Künftig soll das Publikum auch internationaler werden: indische Startups hat Dietz eingeladen, von seinem Innovationscampus aus ihr europäisches Geschäft zu erschließen. Im Durchschnitt seien derzeit 150 Menschen anwesend, schätzt der Unternehmer. Für ausreichend Inspiration ist damit automatisch gesorgt, zumal nicht jeder als Mieter in Frage kommt. „Das hier ist keine Immobilien-Entwicklung“, betont Dietz: „Wir wollen möglichst spannende Menschen hier haben, die etwas zu sagen haben und etwas ausstrahlen.“  

          Was alle verbinden soll, ist eine unternehmerische Begeisterung für die aktuellsten Technologien. Damit lässt sich auch der Bogen schlagen zum eigentlichen Kerngeschäft der GFT Technologies SE, das darin besteht IT-Lösungen vor allem für den Finanzsektor zu schaffen: für GFT eröffnet sich damit der sehr unmittelbare Zugang zu neuen Entwicklungen. Das Start-up Blickshift nennt Dietz als Beispiel. Die an der Uni Stuttgart entwickelte  Blickerkennung könnte durchaus interessant sein für Börsenhändler, die ständig sieben oder acht Bildschirme im Blick haben müssen, deutet Dietz das Potential für GFT an. „Neue Dinge fallen eben nicht vom Himmel, wenn man am Schreibtisch sitzt und wartet.“ 

          Immer am Puls der neuesten Entwicklungen zu sein, bietet einen greifbaren Vorteil für den schwäbischen Technologie-Konzern, der sich als Treiber des digitalen Wandels in der Bankenwelt  begreift, und zwar sowohl im Investmentbanking wie auch im Endkunden-Geschäft. GFT-Chef Dietz hat deshalb auch keinen Schmerz mit den Kosten für all seine Code-N-Aktivitäten, die neben dem Innovationscampus auch einen Gründer-Wettbewerb samt zugehörigem Festival beinhalten.

          „Wir planen mit einer Million Euro Kosten“, bestätigte Dietz die schon vor zwei Jahren genannte Größenordnung für den jährlichen Aufwand. Indes: „Im nächsten Jahr trägt sich das vielleicht schon“, stellt er in Aussicht und betont: „Wir müssen schon schauen, dass die Zahlen stimmen.“  Für dieses Jahr plant GFT mit 4800 Beschäftigten einen Umsatz von 420 Millionen Euro zu erzielen, das wäre ein Plus von gut 12 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Für das operative Ergebnis (Ebitda) sehen die Planzahlen einen Zuwachs von 45 auf 47 Millionen Euro vor. Das Ergebnis vor Steuern wird mit unverändert 33 Millionen Euro erwartet. Ulrich Dietz ist mit 26,3 Prozent größter Aktionär der GFT SE.  

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