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Brief an EU-Kommission : Wissing will Verbrennerstreit mit Rechtskniff lösen

Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) Bild: dpa

Die Verhandlungen zwischen Berlin und Brüssel um das Verbrenner-Aus im Jahr 2035 kommen nicht voran. Nun legt Verkehrsminister Wissing eigene Vorschläge vor. Seine bevorzugte Variante birgt aber Probleme.

          2 Min.

          Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) hat im Streit um das Verbrenner-Aus Lösungsvorschläge vorgelegt. In einem Brief an den stellvertretenden Kommissionspräsidenten Frans Timmermans hat das Verkehrsministerium mehrere Optionen ins Spiel gebracht, wie auch nach 2035 mit synthetischem Kraftstoff, sogenannten E-Fuels, angetriebene Neuwagen mit Verbrennungsmotor zugelassen werden können. Bedingung für Wissing ist, dass die Kommission nicht nur eine Absichtserklärung abgibt, sondern konkrete Vorschläge präsentiert – und es schnell geht. Man müsse bei der Lösungssuche vorankommen, heißt es.

          Hendrik Kafsack
          Wirtschaftskorrespondent in Brüssel.

          Der Brief, der an den Bürochef (Kabinettschef) von Timmermans adressiert ist, listet eine Reihe von Optionen auf. Das Schreiben liegt der F.A.Z. nicht vor, der Inhalt ist ihr aber bekannt. Die bevorzugte Variante ist offenkundig, dass die Europäische Kommission einen sogenannten delegierten Rechtsakt – wie aus der Taxonomie-Debatte gut bekannt – erlässt, der den Weg für den Verbrennungsmotor frei machen würde.

          Das hätte eine Reihe von Vorteilen: Das vom EU-Parlament schon beschlossene Gesetz zu den CO2-Flottengrenzwerten für Autos selbst müsste nicht geändert werden. Ein solcher delegierter Rechtsakt kann schnell erarbeitet werden, sprich innerhalb weniger Wochen oder schneller. Zudem wären die Abstimmungsregeln anders als bei klassischen EU-Gesetzen. Der Rechtsakt könnte nur aufgehalten werden, wenn sich eine qualifizierte Mehrheit der Staaten oder eine absolute Mehrheit des Europaparlaments dagegen ausspricht. Qualifiziert ist eine Staatenmehrheit dann, wenn sich mindestens 55 Prozent oder 15 von 27 Mitgliedern hinter einem Vorschlag versammeln, die gleichzeitig mindestens 65 Prozent der EU-Bürger repräsentieren.

          Problembehafteter Ansatz

          Im Ministerrat gibt es eine solche qualifizierte Mehrheit nicht. Im Europaparlament ist eine Blockade unsicher, weil auch die Abstimmung zum Verbrenner-Aus dort knapp ausfiel. Es gibt aber auch eine Reihe von Problemen bei diesem Ansatz. So braucht die Kommission für einen delegierten Rechtsakt eine belastbare rechtliche Basis im Gesetzestext zu den CO2-Grenzwerten für Autos.

          Dort sind solche Rechtsakte zwar vorgesehen. Sie beziehen sich aber auf technische Fragen, wie die Methodologie der Messverfahren. Darauf aufbauend einen Rechtsakt vorzuschlagen, der die Tür für den Verbrenner aufstieße, sei juristisch zweifelhaft. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Europäische Gerichtshof einen solchen „Rechtskniff“ kippe, sei sehr groß, heißt es aus Kreisen, die mit den Verhandlungen zwischen Wissing und Timmermans vertraut sind. Hinzu komme der politische Schaden, da sich das Europaparlament politisch vorgeführt fühlen dürfte.

          Eine ausreichende Rechtsgrundlage ließe sich schaffen. Dann aber müsste der Gesetzestext selbst doch wieder aufgeschnürt werden. Das gilt allerdings wohl auch für die anderen Optionen, die das Verkehrsministerium auflistet. Das ist erstens die in Brüssel schon kursierende Variante, die Definition von CO2-neutralen Kraftstoffen zu ändern. Zweitens könnte man die laufende Gesetzgebung für die neuen Abgasnormen für Autos (Euro 7) nutzen und drittens ein Spezialgesetz schreiben. Für alle diese Varianten müsste Wissing zudem eine Mehrheit in EU-Ministerrat und Parlament organisieren.

          Die große Frage ist ohnehin, wie weit die EU-Kommission gehen will. Bisher hat Timmermans daran festgehalten, dass die Kommission nur eine Absichtserklärung abgeben kann. Konkret soll es erst nach der von Wissing in letzter Minute verhinderten endgültigen Verabschiedung der CO2-Grenzwerte für Autos werden.

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