Streik : Wie Lokführer Weselsky die Bahn austrickste
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Ein Trickser: Claus Weselsky, GDL-Chef Bild: Reuters
Die Züge fahren wieder. Und GDL-Chef Weselsky bietet neue Verhandlungen an. Aufrichtig? Die Deutsche Bahn hat der Lokführer schon einmal ausgetrickst.
Der Chef der Gewerkschaft der Lokomotivführer, Claus Weselsky, hat nach Recherchen der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (F.A.S.) die Bahn-Führung vergangene Woche trickreich hinters Licht geführt. Der Gewerkschaftsführer beteiligte sich in mehreren vertraulichen Gesprächsrunden mit den Bahn-Arbeitgebern am Entstehen eines Tarifvertrages, der unter dem Strich eine Einschränkung der Streikmöglichkeiten der Spartengewerkschaft zur Folge gehabt hätte. Im Gegenzug erkannte der Vorschlag aber auch das Recht der GDL an, für andere Berufsgruppen als die Lokomotivführer „auf Augenhöhe“ zu verhandeln. Weselsky tat über Tage, als wäre er bereit, solch eine Vereinbarung zu unterzeichnen.
Am Ende ausführlicher Gespräche baten Weselsky und seine Delegation nach Recherchen der F.A.S. den Bahn-Vorstand Ulrich Weber und den Geschäftsführer des Arbeitgeberverbandes der Mobilitätsdienstleister (Agv-MoVe), Werner Bayreuther, den gemeinsam erreichten Gesprächsstand aufzuschreiben. Als Weselsky das gewünschte Papier Ende Oktober in Händen hielt, nutzte er zwei Tage später dieses Schriftstück in der Öffentlichkeit als Beleg dafür, dass die Bahn unter angeblicher Verletzung der Grundrechte der GDL-Mitglieder ein „Tarifdiktat“ verhängen wolle.
Weselsky behauptete, die Bahn habe ihr „erstmals eindeutig rechtswidriges Verständnis des Grundgesetzes (…) schriftlich niedergelegt“. Dann rief Weselsky seine Gewerkschaft zum längsten Streik in der Geschichte der Deutschen Bahn auf.
Die GDL hat am Samstagabend den Streik vorzeitig beendet. Weselsky hatte zuvor neue Verhandlungen angeboten: „Wir diskutieren jetzt erstmal nicht über Streiks.“ Man erwarte eine Einladung durch die Bahn, so der GDL-Chef. Doch ist das Kernproblem nach wie vor ungeklärt.
Weselsky besteht darauf, dass die Bahn der GDL als Vorbedingung das Recht zusichert, einen eigenen Tarifvertrag für die Zugbegleiter zu schließen, obwohl diese mehrheitlich in der Konkurrenzgewerkschaft EVG organisiert sind. Die Bahn wiederum ist zwar zu solchen Tarifverhandlungen bereit, jedoch mit offenem Ergebnis. Sie würde sich dadurch die Möglichkeit erhalten, am Ende nur den Tarifvertrag der Mehrheitsgewerkschaft EVD zu akzeptieren und so die Tarifeinheit zu wahren. Einen offenen Verhandlungsprozess hatte die GDL vergangene Woche jedoch zweimal ausdrücklich abgelehnt. Er war von den Richtern im Eilverfahren zum von der Bahn beantragten Streikverbot als Vergleichsvorschlag ins Spiel gebracht worden.