Bahn gegen GDL : Der nächste Streik naht
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Claus Weselsky und die GDL gegen die Bahn: Der Arbeitskampf wird fortgesetzt – bis einer einknickt Bild: dpa
Die Züge fahren wieder. Doch Claus Weselskys „Geste der Versöhnung“ ändert nichts an der Einstellung des GDL-Chefs: Er will den Arbeitskampf fortsetzen.
Die Bahn rollt, das Land atmet auf. Tausende reisen mit Zügen zu den Feierlichkeiten in Berlin anlässlich des Mauerfalls vor 25 Jahren. In Niedersachsen und Bremen kommen Familien rechtzeitig aus den Herbstferien zurück. Und Pendler im ganzen Land können am Montag wieder zur gewohnten Zeit in ihre Züge steigen. Eine „Geste der Versöhnung“, so hatte der GDL-Vorsitzende Claus Weselsky das vorzeitige Streikende genannt. Ende gut, alles gut?

Politischer Korrespondent in Berlin

Politischer Korrespondent für die Europäische Union, die Nato und die Benelux-Länder mit Sitz in Brüssel.
Nein, leider nicht. Weselskys Geste richtete sich an eine zunehmend genervte Öffentlichkeit. Aber nicht an die Bahn. Die wollte seinen Streik gerichtlich verbieten lassen. Weselsky war jede Minute dabei, zwölf Stunden insgesamt. Er kämpfte wie ein Löwe – und bekam in zwei Instanzen recht.
Der Streik ist verhältnismäßig, selbst wenn er die Volkswirtschaft jeden Tag hundert Millionen Euro kosten sollte. Die GDL darf die Räder anhalten, um einen Tarifvertrag zu erzwingen für 17.000 Zugbegleiter, Zugkellner und Rangierführer – auch wenn die Mehrheit in diesen Berufsgruppen von einer anderen Gewerkschaft vertreten wird, der EVG. Weselsky sitzt jetzt sehr hoch auf einem Baum. Und unten jubeln seine Anhänger.
„Warum sehen Sie darin kein Zeichen guten Willens?“
Zwei Richter haben versucht, ihn von dem Baum herunterzuholen, ihm eine Möglichkeit zu schaffen für Verhandlungen mit der Bahn. Sie legten Vergleiche vor: Die GDL sollte den Streik abbrechen, die Bahn im Gegenzug mit ihr über einen Tarifvertrag für Zugbegleiter verhandeln – Ergebnis offen. Die Bahn war einverstanden. Weselsky nicht. Ein Richter flehte ihn an: „Warum sehen Sie darin kein Zeichen guten Willens?“ Der Personalvorstand der Bahn, Ulrich Weber, ebenfalls im Saal, jammerte: „Was sollen wir denn machen, um mit Ihnen wieder in inhaltliche Verhandlungen zu kommen?“
Die Antwort lautet: nichts. Die Verhandlungen dürfen nicht offen sein. Die Bahn muss ein Ergebnis vorher anerkennen, nämlich dass die GDL einen eigenen Tarifvertrag für Zugbegleiter aushandelt. Weselsky sagte es in einer Verhandlungspause so: „Es gibt hier keinen Kompromiss, es gibt nur null oder eins.“ Null oder eins, friss oder stirb.
So redet einer, der aufs Ganze geht. Einer, der in den Krieg zieht und Versöhnungsgesten nur für die Öffentlichkeit macht. „Wir warten auf Verhandlungen“, sagte Weselsky am Samstag. Klingt gut, heißt aber übersetzt: Die andere Seite muss nachgeben.
Verhandlungen sind Hintergrundgespräche
Die Bahn sah das nicht kommen, sie hat den GDL-Chef falsch eingeschätzt. Noch in der vorigen Woche glaubte sie fest an einen Kompromiss – ausgehandelt in geheimen Treffen. Doch tatsächlich tanzte der Schienenfahrzeugschlosser aus Dresden die Konzernspitze aus, als habe er nie in seinem Leben anderes getan. Dieser Teil der Geschichte war nahezu unbekannt – bis jetzt.
Während der letzten „Streikpause“ hatten sich Weselsky und Weber Ende Oktober insgesamt dreimal in Berlin getroffen: Zweimal im 24. Stock des Bahntowers in Webers Arbeitszimmer mit schöner Aussicht, einmal im gediegenen Vorstandsbüro von Weselsky beim Beamtenbund in der Friedrichstraße. Insgesamt redeten sie etwa zehn Stunden miteinander.