Vom Start-up zur SPD : „Kitchen Stories“-Gründerin kandidiert für den Bundestag
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Verena Hubertz Bild: privat
Bei jungen Unternehmern ist die SPD nicht sehr beliebt. Verena Hubertz will trotzdem für die Partei in den Bundestag. Warum?
Wenn junge Unternehmer wählen, dann machen sie ihr Kreuz eher selten bei der SPD. In Umfragen unter Start-up-Gründern kam die alte Arbeiterpartei in den vergangenen Jahren nicht immer über fünf Prozent. Umso bemerkenswerter ist es also, wenn eine Gründerin die SPD nicht nur wählt, sondern sogar für die Partei kandidiert.
Verena Hubertz, 33 Jahre alt, hat sich zur Wahlkreiskandidatin in Trier wählen lassen und tritt damit die Nachfolge der ehemaligen Justizministerin Katarina Barley an, die ins Europaparlament gewechselt ist. Ein sicherer Wahlkreis ist das nicht, Katarina Barley hat ihn nie gewonnen und die SPD erst zweimal seit 1949 gesiegt. Hubertz hofft, wie ihre Vorgängerin, auf einen guten Listenplatz.
Mit ihrem eigenen Unternehmen hatte Hubertz jedenfalls schon mal Erfolg. „Kitchen Stories“ heißt die Website, auf der Hunderte Rezeptvideos zu finden sind. 21 Millionen Mal ist die App inzwischen heruntergeladen worden. Auf der Apple Watch waren sie die erste Koch-App. Apple-Chef Tim Cook guckte einmal vorbei. Und Bosch-Siemens Hausgeräte kaufte vor drei Jahren zwei Drittel des Unternehmens, und zwar nicht für wenig Geld, wie zu hören ist.
Kitchen Stories wurde von Bosch-Siemens Hausgeräte gekauft
Die Kühlschränke und Backöfen des Unternehmens sollen mit Hilfe der Rezepte eines Tages in der Lage sein, ihre Besitzer beim Kochen zu unterstützen. Bosch-Siemens erhofft sich zudem mehr Kontakt zu Endkunden, den sonst ja eher die Händler haben als der Hersteller selbst. Von diesem Unternehmen hat sich Hubertz jetzt verabschiedet – und will stattdessen in die Politik. „Ich bin schon vor zehn Jahren in die Partei eingetreten“, sagt sie. „Es macht mir Sorgen, wie pessimistisch wir in diesem Land unsere Zukunft angehen. Es gibt keine Partei, die mir ein Zukunftsbild vom Leben in 20 Jahren zeichnet.“
Aber warum dann die SPD? Hat man da als Start-up-Investor nicht grundsätzlich ein Problem? Das fängt ja schon beim Arbeitszeitgesetz an, dessen Flexibilisierung die SPD seit Jahren blockiert und an das sich kaum ein Start-up halten kann, wenn es irgendwie die ersten Jahre überleben will. „Deshalb ist es wichtig, dass man die Mitarbeiter zu Mitunternehmern macht“, findet Hubertz – und kommt da selbst an einen Punkt, der in der traditionellen Sozialdemokratie nicht sehr gut gelitten ist: die Arbeitnehmer an Chancen, aber eben auch Risiken des Betriebs zu beteiligen.
Verena Hubertz' Ansichten passen nicht immer zur SPD
Mit anderem liegt sie durchaus auf Parteilinie. „In diesem Land geht es nicht gerecht zu“, sagt sie. „Es geht zum Beispiel darum, dass wir alle den Pflegekräften zuklatschen, es aber schlechte Arbeitsbedingungen gibt. Dass das Geld entscheidet, wer sich eine Wohnung leisten kann.“ Mieten würde sie gerne deckeln, gleichzeitig Wohnungen bauen und den Wohnraum dann ähnlich wie in Wien nach einem Punktesystem vergeben.
Trotzdem bleibt noch genug Reibung zur SPD, wie sie in ihrer Mehrheit tickt. Die Vermögensteuer zum Beispiel lehnt sie ab. Die Idee findet sie zwar gut, „aber das geht halt an das Betriebsvermögen, im Zweifel ohne dass das Unternehmen irgendwoher schon Geld bekommen hat“. Statt der Vermögensteuer sähe sie lieber eine konsequentere Besteuerung ausländischer Unternehmen in Deutschland und eine höhere Erbschaftsteuer.
Und wie ist es mit dem bedingungslosen Grundeinkommen, das Start-up-Gründer oft gut finden, das die arbeitszentrierte Sozialdemokratie aber oft ablehnt? Auch Hubertz will eher Politik für die Leute machen, die arbeiten wollen. Arbeit sei wichtig für die eigene Identität. Trotzdem finde sie den Gedanken vom Grundeinkommen interessant, sagt sie, wohl wissend, dass auch diese Position in der SPD nicht einfach ist – sieht da aber durchaus Chancen zu Kompromissen: Wenn Hartz IV weniger Sanktionen für Arbeitsunwillige hätte und die Empfänger mehr von ihrem eigenen Vermögen behalten dürften, sei das vom Grundeinkommen gar nicht so weit weg.
In der Partei wird sie einiges damit zu tun haben, für ihre Positionen zu kämpfen. Sie selbst formuliert das anders: „Klar bin ich da erst mal in einer Sonderstellung.“ Aber: „Es gibt auch in der SPD tolle Finanzexperten, kluge Digitalleute und Experten für andere Bereiche.“ Ihre Hoffnung: „Politik geht auch mit Authentizität einher. Ich weiß, wie Wirtschaft geht. Da können mir die Menschen vertrauen.“ Man wird sehen, ob sie dieses Vertrauen in der SPD bekommt.