Standpunkt : Deutsche Haftung für ESM bleibt begrenzt
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Steffen Kampeter ist Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen. Bild: Röth, Frank
Der ESM ist im nationalen Interesse Deutschlands. Entgegen anderslautender Behauptungen gibt es keinen unbegrenzten Haftungsautomatismus, der Rettungsfonds hat keine „Banklizenz“ und er vergibt auch keine „Eurobonds“. Ein Gastbeitrag von Steffen Kampeter.
Demokratie lebt von sachlichem und politischem Streit über den richtigen Weg. Auch die Fachwelt außerhalb der Politik ist aufgefordert, ihr Wissen für die Aufklärung der Bevölkerung einzusetzen und nicht weitere Verunsicherung zu schüren.
Die öffentliche Diskussion über den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) leidet unter Missverständnissen und Fehlauslegungen des Vertragstextes. Vor allem über die Höhe des Beitrags Deutschlands zum ESM und zum Umfang der Haftung scheint es Unklarheiten zu geben. So wurde in der öffentlichen Diskussion der Eindruck erweckt, es würden tatsächliche Haftungsrisiken verschleiert und einer Entmachtung des Bundestags Vorschub geleistet. Dagegen wende ich mich mit Nachdruck. Denn das Gegenteil ist richtig.
Der ESM ist im nationalen Interesse Deutschlands
Stabilität braucht Schutz. Der ESM ist als Stabilitäts- und Schutzmechanismus der Wirtschafts- und Währungsunion konzipiert. Wir brauchen ihn. Denn selbst bei bester Prävention ist eine mit den nötigen finanziellen Mitteln ausgestattete und durch nationale Parlamente legitimierte europäische Institution notwendig, um Mitgliedstaaten mit Refinanzierungsproblemen am Kapitalmarkt finanziell beizustehen, Herdenpaniken zu verhindern und Ansteckungsgefahren für andere Länder des Euroraums zu reduzieren. Dazu haben die Eurostaaten den ESM-Vertrag geschlossen. Der ESM ist im nationalen Interesse Deutschlands.
Trotzdem lese ich Behauptungen, der ESM-Vertrag erlaube eine Ausgabe des Stammkapitals zu einem beliebig hohen Wert und die Haftung Deutschlands könne damit quasi ins Unermessliche steigen. Ein Blick in den Vertragstext hilft hier weiter: Die Haftung Deutschlands ist unter allen Umständen auf seinen Anteil am Stammkapital zum Ausgabekurs begrenzt. In dieser Klarheit steht es in Artikel 8 Absatz 5 des ESM-Vertrags. Die Haftung Deutschlands ist auf 190 Milliarden Euro begrenzt. Es gibt keinen unbegrenzten Haftungsautomatismus und auch keine Möglichkeit, ohne Beteiligung des Deutschen Bundestages daran oder an der maximalen Haftungssumme irgendetwas zu ändern.
Die Haftung Deutschlands bleibt auf 190 Milliarden Euro begrenzt
Der ESM-Vertrag sieht die Möglichkeit vor, dass in der Zukunft Kapital zu einem anderen Kurs als zum Nennwert ausgegeben werden kann. Eine derartige Entscheidung, die derzeit weder geplant noch vorhersehbar ist, setzt einen einstimmigen Beschluss des Gouverneursrates sowie eine vorherige Ermächtigung durch den Deutschen Bundestag voraus.
Andere behaupten, eine angeblich unbeschränkte Haftung Deutschlands könne sich aufgrund von Nachschusspflichten ergeben. Deutschland müsse beim Ausfall eines anderen ESM-Staates über seine allgemeinen Einzahlungs- und Haftungspflichten von 190 Milliarden Euro hinaus haften. Auf diesem Weg könne die Maximalhaftung auf bis zu 700 Milliarden Euro, den gesamten Haftungsrahmen des ESM, ausgedehnt werden. Das Gegenteil ist jedoch richtig, das sieht auch der Bundesrechnungshof so: Die Haftung der Mitgliedstaaten ist auf deren jeweiligen Anteil am gezeichneten Kapital abschließend beschränkt, und der Bundeshaushalt kann maximal mit 190 Milliarden Euro belastet werden.
Der ESM vergibt keine „Eurobonds“
Auch die Diskussion über die angeblich schon vorhandene „Banklizenz“ führt in die Irre: Der ESM ist als internationale Finanzinstitution konzipiert. Er darf Kredite vergeben und auf dem Kapitalmarkt Anleihen begeben. Da der ESM eben keine Bank ist, kann er sich auch nicht bei der Europäischen Zentralbank refinanzieren. Als internationale Institution unterliegt der ESM weder den nationalen Bankengesetzen noch der Bankenaufsicht.
Falsch ist auch, dass durch die Refinanzierungsmöglichkeiten des ESM an den Kapitalmärkten „Eurobonds“ bereits eingeführt seien. Der ESM vergibt gegen strenge Auflagen Finanzhilfen an Programmstaaten. Deutschland haftet für den ESM mit einem festgelegten Anteil von 27,1 Prozent, also gerade nicht gesamtschuldnerisch für die volle Summe. Das alles hat mit „Eurobonds“ nichts zu tun, die zu einer vollständigen Vergemeinschaftung von Schulden ohne Gegenleistungen führen würden. Diese lehnen wir deshalb auch ab.
Keine Haftung ohne Kontrolle
Schließlich wird manchmal der Eindruck erweckt, der ESM könne Geld unmittelbar an Banken geben und eine Bankenrekapitalisierung sei am Deutschen Bundestag vorbei möglich. Auch diese Darstellung ist falsch. Eine direkte Bankenrekapitalisierung ist nach den geltenden Regeln nicht möglich. Die Bundesregierung hat deutlich gemacht, dass wir an dem Prinzip festhalten: Keine Haftung ohne Kontrolle. Das wurde auf dem Junigipfel der Eurostaaten klarstellt. Die Einführung einer europäischen Bankenaufsicht ist unabdingbare Voraussetzung für eine direkte Bankenrekapitalisierung. Der Deutsche Bundestag würde hierfür erst noch eine gesetzliche Grundlage schaffen.
Die Währung, um die es geht, ist die Stabilität des Euro und nicht die Aufmerksamkeit einzelner Professoren. Wer die europäische Integration nicht will, soll dies offen formulieren und sich nicht hinter falschen Behauptungen verstecken.