Nach der Krise : Korruption in Spanien
- -Aktualisiert am
Katalanen demonstrieren in Barcelona für mehr Unabhängigkeit ihrer Region: Aber nicht nur in Madrid, auch in den Regionen blüht die Korruption. Bild: AP
Die politische Klasse in Spanien hat sich schamlos bereichert. Die Parteien schieben sich gegenseitig die Schuld zu. Der desillusionierte Bürger wendet sich ab.
Spanien erholt sich – aber nur langsam. Trotz des bescheidenen Aufschwungs nach sechs Jahren Wirtschafts- und Finanzkrise mit einem voraussichtlichen Wachstum von 1,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in diesem Jahr ist das Land nicht in bester Verfassung. Zwei der Hauptgründe sind die Korruption und Katalonien.
Die Erstgenannte untergräbt ein Jahr vor den nächsten Wahlen schon nachhaltig das Vertrauen der Bevölkerung in ihre „politische Klasse“ und stärkt nicht die Steuermoral desillusionierter Bürger. Das zweite Problem, der Separatismus in der einst wohlhabendsten und dynamischsten Region der Iberischen Halbinsel, birgt neben politischen auch wirtschaftliche Risiken. Internationale Investoren zögern schon. Banken und Großunternehmen bereiten mehr oder minder stillschweigend ihre Fluchtwege vor.
Ministerpräsident Mariano Rajoy, der vor drei Jahren ein von den Sozialisten an den Rand des Staatsbankrotts geführtes Land übernahm, hat mit Beharrlichkeit und einer Mischung aus Sparmaßnahmen und Strukturreformen die Wirtschaft und Finanzen wieder auf Kurs gebracht. Doch die Krise hat die viertgrößte Volkswirtschaft der Eurozone viel Kraft und Ansehen gekostet. Einst in der internationalen Rangliste unter den ersten zehn ist Spanien auf den vierzehnten Platz abgerutscht. Dort steht es nun hinter Südkorea und vor Mexiko, das es bald überholen dürfte.
Was die Reputation der Regierung und damit ihre Wiederwahlchancen besonders beeinträchtigt – neben der mit 25 Prozent unverändert hohen Arbeitslosigkeit –, sind die scheinbar endlosen Affären um Selbstbedienung und Selbstbereicherung. Dabei steht Rajoys konservative Volkspartei hier keineswegs allein. Filz und Vetternwirtschaft sind noch nie in der knapp vierzigjährigen demokratischen Geschichte Spaniens so konzentriert an die Oberfläche geschwemmt worden wie in den Jahren seit dem Platzen der „Immobilienblase“.
Mehrere Mühlsteine ziehen die Volkspartei nach unten
Mehrere Mühlsteine ziehen die Volkspartei nach unten. Da ist der Fall „Gürtel“ mit Lobbyisten, die als Gegenleistung für die Ausrichtung lukrativer Parteiveranstaltungen wie Weihnachtsmänner Geschenke unter Funktionären verteilten. Da ist der Fall „Bárcenas“ mit der angeblich doppelten Buchführung eines Parteischatzmeisters und Zweitgehältern für die Großkopfeten. Und nebenbei, so scheint es, wurde auch die Renovierung der Parteizentrale in Madrid mit Schwarzgeld bezahlt.
Die oppositionellen Sozialisten und die mit ihnen verbandelten großen Dachgewerkschaften UGT und CCOO stehen nicht besser da. Dort ermittelt die Justiz, die so wie in den Affären der Regierungspartei dafür extrem viel Zeit braucht, insbesondere in Andalusien in zwei Fällen des Missbrauchs öffentlicher – auch europäischer – Gelder in großem Stil. Hier geht es um Hunderte von Millionen, die für betrügerische Frühpensionierungen und Fortbildungskurse für Arbeitslose, die nie stattfanden, ausgegeben wurden.
In den spanischen Regionen, in denen „nationalistische“ Regierungen, die ständig mit einer Abspaltung liebäugeln, die Macht haben, sieht es auch nicht rosig aus. In Katalonien hat der langjährige frühere Ministerpräsident Jordi Pujol inzwischen zugegeben, mehrere Millionen Euro Schwarzgeld in Andorra versteckt zu haben. Die Ermittler prüfen derweil, ob es darüber hinaus noch ein verschobenes Milliardenvermögen der Familie gibt, das aus den sprichwörtlichen „3 Prozent“ stammen könnte, welche Pujols Partei für die Vergabe öffentlicher Aufträge eingesteckt haben soll. Dagegen mutet das auf rund vierhundert Millionen bezifferte Immobilienvermögen der im Nordwesten regierenden Baskisch-Nationalistischen Partei wie ein Trinkgeld an. Nur traut sich dort noch keiner, mit Nachdruck zu fragen, wie das alles eigentlich zustande kam.
Der Skandal um „schwarze“ Kreditkarten
Der Gipfel in dem trüben Panorama ist jedoch mit der Entdeckung der „schwarzen“ Kreditkarten der Pleitesparkasse Caja Madrid/Bankia erreicht worden. Dieser Skandal spiegelt exemplarisch, was alles aus den Fugen geraten ist. Da gaben wechselnde Bankpräsidenten sich selbst, ihren engsten Mitarbeitern und den Mitgliedern der Aufsichts- und Kontrollgremien unkontrollierte Kreditkarten zur Sicherung der eigenen Macht. Die Inhaber, Mitglieder aller wichtigen Parteien und Gewerkschaften, widersprachen daraufhin ihren Wohltätern nicht und ließen es sich gutgehen. Sie verprassten mehr als fünfzehn Millionen Euro in Zeiten, als das Sparkassenschiff schon sank. Während ahnungslosen Kleinsparern wertlose Vorzugsaktien angedreht wurden, ging die Elite auf ihre Kosten einkaufen.
Mutige Richter und Staatsanwälte stechen inzwischen in diese Eiterbeulen. Die betroffenen Parteien, die mit dem Finger auf die Konkurrenz zeigen, sind ihnen in eigener Sache keine große Hilfe. Das verhalf schon bei den Europawahlen einer populistischen Linkspartei namens „Podemos“ (Wir schaffen es) zu einem unerwarteten Erfolg. Falls sich bis zu den nächsten Wahlen der Eindruck verfestigen sollte, dass Regierung und Opposition in Sachen Hausputz mehr Teil des Problems als der Lösung sind, könnten sie an der Urne eine monumentale Überraschung erleben.