Sonderurlaub : (K)ein Herz für Trauernde
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Wenn das eigene Kind stirbt, gibt es in Deutschland meist nur zwei Tage Sonderurlaub: Einen für den Todestag und einen für die Beerdigung. Bild: Philipp Czechowski
Der Tod des eigenen Kindes ist das Schlimmste, das Eltern widerfahren kann. Frankreich gewährt dafür künftig 15 Tage Sonderurlaub, Großbritannien erhöht auf zehn. In Deutschland gibt es meist nur zwei Tage. „Damit kommt niemand aus“, findet nicht nur Verdi.
Die Debatte schlägt in Frankreich hohe Wellen; sie hat dazu geführt, dass die Regierung zwischenzeitlich als „herzlos“ am Pranger stand. Es geht um bezahlten Sonderurlaub, der Eltern im Todesfall eines Kindes zusteht. Ein Abgeordneter der Zentrumspartei UDI hatte Ende Januar vorgeschlagen, das gesetzliche Minimum von fünf auf zwölf Tage zu erhöhen. Doch der Regierung und den Abgeordneten der Regierungspartei LREM ging das zu weit. „Was Sie hier vorschlagen, muss zu 100 Prozent von den Unternehmen bezahlt werden“, erwiderte die Arbeitsministerin Muriel Pénicaud, die besonders die kleinen Unternehmen im Blick hatte. Die LREM-Abgeordneten brachten den Vorschlag durch ihre Gegenstimmen zu Fall.
Daraufhin ging ein Aufschrei durch die Oppositionsbänke und die französischen Medien. Viele Franzosen sehen Präsident Emmanuel Macron und seine Regierung als kaltherzige Reformer. Da passte die Ablehnung von zusätzlichen Trauertagen ins Bild. Nicht einmal den Schmerz von Eltern über den Tod ihres Kindes könnten sie nachvollziehen, hieß es. Ganz zu schweigen von den praktischen Zwängen, schließlich brauchten die Eltern mehrere Tage, um die Beerdigung zu organisieren und Formalitäten zu erledigen.
Angesichts der Empörung machte die französische Regierung einen raschen Rückzieher. Macron, der mit der Sache offenbar nicht befasst gewesen war, forderte die Abgeordneten auf, „Menschlichkeit zu zeigen“. Diese ärgerte die Kritik, weil sie nach den Anweisungen der Regierung abgestimmt hatten. Premierminister Edouard Philippe und einige seiner Minister räumten jedenfalls einen „kollektiven Fehler“ ein. Nun antworten sie mit der Flucht nach vorne: Sie haben eine Verlängerung des Sonderurlaubes auf 15 Tage vorgeschlagen – 3 Tage mehr als die ursprüngliche Forderung.
Der Arbeitgeberverband Medef bleibt gelassen. Sein Präsident Geoffroy Roux de Bézieux erklärte, dass die Kosten bei rund 4500 solcher Todesfälle in Frankreich überschaubar wären. „Ich kenne auch keinen Arbeitgeber, der seinen Beschäftigten in solch einem schlimmen Fall nicht die nötige Zeit gibt“, sagte er in einem Radiointerview. Allerdings „ist es nicht die Zahl der freien Tage, die den Verlust ausgleicht“. Er kenne auch Fälle, in denen die Betroffenen bald wieder an den Arbeitsplatz zurückkehren wollten, um mit dem Schmerz besser zurecht zu kommen.
Auch Großbritannien erhöht auf 10 Tage
Nicht nur in Frankreich beschäftigt das Thema den Gesetzgeber. In Großbritannien steigt der Anspruch auf bezahlten Sonderurlaub laut eines neuen Gesetzes im April auf zehn Tage. 10.000 Familien sollen von der Regelung profitieren, die auch die in Großbritannien vergleichsweise hohe Zahl von Totgeburten einschließt. Auch Schweden geht großzügig mit der Frage um. Dort stehen den Betroffenen ebenfalls zehn Tage Sonderurlaub im Todesfall von engen Angehörigen zu.
In den Vereinigten Staaten ist die Lage anders: Kein bundesweites Gesetz schreibt ein Minimum vor, es erwähnt stattdessen, dass Arbeitgeber und Beschäftigte eine Regelung aushandeln sollen. Üblich sind laut Medienberichten in der Privatwirtschaft etwa drei Tage Sonderurlaub, in einigen Fällen auch fünf, doch einer Umfrage von 2012 zufolge haben 40 Prozent der Beschäftigten gar keinen Anspruch. An unbezahltem Urlaub stehen den Amerikanern auf gesetzlicher Grundlage „in Familienangelegenheiten“ bis zu zwölf Wochen zu.
Einzelne Unternehmen sind in jüngerer Zeit indes weiter gegangen. Die Facebook-Managerin Sherly Sandberg, die ihren Ehemann verlor, kämpfte dafür. So gesteht Facebook seinen Mitarbeitern heute 20 statt 10 Tage bezahlten Sonderurlaub zu. Firmen wie Mastercard, Bank of America, AirBnB, Mastercard und SurveyMonkey zogen nach.