Lieferketten : So lassen sich Risiken der Waldzerstörung ermitteln
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Jeden Tag werden große Flächen Regenwald zerstört Bild: dpa
Die EU will Wälder besser vor Abholzung schützen. Unternehmen müssen bald auch in dieser Hinsicht ihre Sorgfaltspflichten in der Lieferkette erfüllen.
Die politischen Verhandlungen über die EU-Verordnung zu entwaldungsfreien Lieferketten sind zunächst abgeschlossen. Voraussichtlich Mitte 2023 werden die Vorschriften in Kraft treten, die der Abholzung von Wäldern entgegenwirken sollen. Die Europäische Union zählt nach China und vor Indien und den Vereinigten Staaten zu den größten Treibern von Waldzerstörung. Dreh- und Angelpunkt der Verordnung sind Sorgfaltspflichten von Unternehmen und Händlern, die bestimmte Rohstoffe und Produkte wie Soja, Kaffee, Holzprodukte oder Rindfleisch auf dem EU-Markt verkaufen. Künftig müssen sie die Geodaten der Produktionsgebiete vorlegen, um zu beweisen, dass auf den Flächen seit 2020 keine Entwaldung oder Waldschädigung stattgefunden hat.
Einige Firmen haben bereits ihr Angebot umgestellt. Zu ihnen gehört Donau Soja Organisation, deren Mitgliedsfirmen den Anbau von entwaldungs- und gentechnikfreier Soja in der kroatischen Region Zupanja unterstützen. Andere Unternehmen, etwa Aldi Nord, haben auf brasilianisches Rindfleisch komplett verzichtet, da dessen Ursprung sehr schwierig zu überwachen sei.
Ob die EU-Verordnung auch zum Schutz der Biodiversität und der indigenen Völker weltweit beiträgt, wird stark davon abhängen, ob Savannenlandschaften in die Verordnung aufgenommen werden, um Verlagerungseffekten entgegenzuwirken. Außerdem müssten China und andere große Verbraucherländer mit ähnlichen Sorgfaltspflichten nachziehen. Derzeit ist noch unklar, ob die EU-Verordnung international Schule macht.
Wie wichtig Regulierung ist, zeigen folgende Beispiele: Obwohl sich Sojahändler seit 2006 mit der Soja-Moratorium-Initiative verpflichtet hatten, im brasilianischen Regenwald keine weiteren Rodungen vorzunehmen, gingen die Abholzungen dort 2019 und 2020 weiter, wie Daten der digitalen Plattform trase.earth zeigen. Einer in der Fachzeitschrift „Science“ veröffentlichten Studie zufolge könnten etwa 20 Prozent der Soja- und mindestens 17 Prozent der Rindfleischexporte aus dem brasilianischen Amazonas-Regenwald und Cerrado in die EU von illegaler Abholzung betroffen sein.
Die gute Nachricht ist, dass Technologie helfen kann, Transparenz zu verbessern und Sorgfaltspflichten zu erfüllen. Es müssen nicht teure Maßnahmen wie DNA-Analysen oder Isotopentests sein, um Produkte in der Lieferkette zurückzuverfolgen. Auch Satellitenbilder helfen. Frei zugängliche digitale Plattformen wie trase.earth ermöglichen Unternehmen, das Entwaldungsrisiko eines bestimmten Rohstoffs oder Vorprodukts zu ermitteln. Außerdem soll eine EU-Waldbeobachtungsstelle geschaffen werden, um Daten und leicht verständliche Informationen über den Zusammenhang zwischen Entwaldung und Handel bereitzustellen.
Dank technologischer Fortschritte ist es bereits heute möglich, die Täter illegaler Abholzung zu ermitteln. In Brasilien gelten als Hauptverantwortliche für die Abholzung zum Anbau von Soja einige wenige große Agrarunternehmen, die ihre Produkte über eine Handvoll großer Händler in die EU oder nach China verkaufen. Mithilfe einiger weniger Klicks können sich Lieferkettenmanager in ihren Büros in der EU über solche Machenschaften informieren – damit ihre Unternehmen dann bessere Entscheidungen in Bezug auf die Natur und die dort lebenden Gemeinschaften treffen. Eine solche Mehrbelastung erscheint vor dem Hintergrund von Klimakrise und Biodiversitätsverlust durchaus zumutbar.
Die Autorin ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Forschungsinstitut für Nachhaltigkeit (RIFS) und Doktorandin an der Willy Brandt School of Public Policy an der Universität Erfurt.