Debatte um schwarze Null : Sind Staatsschulden Selbstzweck?
- -Aktualisiert am
Die Frage der Staatsverschuldung ist auch eine Frage der Generationengerechtigkeit. Bild: dpa
Das Argument für Schulden als Selbstzweck steht auf tönernen Füßen. Es ruht auf unvollständigen Annahmen. Ein Gastbeitrag.
Soll der Staat mehr Schulden machen? Diese Frage bewegt die Gemüter in der öffentlichen Debatte zur schwarzen Null und Schuldenbremse. In seinem Abschiedsvortrag als Präsident der American Economic Association hat Oliver Blanchard eine einfache Antwort gegeben: Wenn der Realzins unterhalb der gesamtwirtschaftlichen Wachstumsrate liegt, dann sollte der Staat mehr Schulden aufnehmen. In einem solchen Szenario erlaubt eine staatliche Neuverschuldung der heutigen und allen zukünftigen Generationen einen höheren Konsum. Ähnlich haben Rüdiger Bachmann und Christian Bayer in ihrem Beitrag „Her mit den Schulden“ und Carl Christian von Weizsäcker in seinem Buch mit Hagen Krämer argumentiert.
Die makroökonomische Theorie scheint also aktuell gegen eine Politik des ausgeglichenen Haushalts zu sprechen, denn viele Ökonomen erwarten, dass der Realzins in den kommenden Jahren unter der Wachstumsrate liegen wird. Doch wie alle theoretischen Ergebnisse gilt auch dieses Ergebnis nur, wenn gewisse Annahmen erfüllt sind. Dieser Beitrag wird zeigen, dass die entsprechenden Annahmen in der Realität nicht annähernd erfüllt sind. Das Argument für Staatsschulden als Selbstzweck steht auf tönernen Füßen.
Die These, dass Staatsschulden alle Generationen besserstellen können, basiert auf einer vom Nobelpreisträger Peter Diamond entwickelten Theorie, die in der Fachzeitschrift „Quarterly Journal of Economics“ im Jahre 1965 veröffentlicht wurde. Diese Theorie geht davon aus, dass Finanzmärkte annähernd perfekt sind und Unsicherheit vernachlässigt werden kann. Wenn dies gilt, entspricht der Zinssatz dem Grenzprodukts des Kapitals abzüglich der Abschreibungsrate – der sogenannten Investitionsrendite. Was passiert nun, wenn der Staat zusätzliche Schulden aufnimmt und der Zinssatz unterhalb der Wachstumsrate liegt?
Möglichkeit der Überakkumulation des Kapitals
Als Folge der staatlichen Neuverschuldung wird der Zinssatz ansteigen und die privaten Investitionen sinken. Dieser „Crowding-out-Effekt“ ist eine Nebenwirkung der Staatsverschuldung, die üblicherweise negativ beurteilt wird. Doch nicht so in einer Situation, in der der Realzins und somit die Investitionsrendite unterhalb der Wachstumsrate liegen. In diesem Fall ist der „Crowding-out-Effekt“ wünschenswert, denn es gibt zu viel Sachkapital, und ein permanenter Rückgang der Investitionen steigert den Konsum der heutigen und aller zukünftigen Generationen.
Die Möglichkeit der Überakkumulation des Kapitals wird in der einschlägigen Literatur als dynamische Ineffizienz bezeichnet. In einer Volkswirtschaft ohne Wachstum tritt sie immer dann auf, wenn der akkumulierte Kapitalstock bereits so groß und das Grenzprodukt des Kapitals entsprechend klein ist, dass die Rendite zusätzlicher Investitionsprojekte auf einen negativen Wert gesunken ist. In einem solchen Fall erzeugt eine staatliche Neuverschuldung mehr Konsum für alle, weil ohne Staatsschulden ein zu großer Teil der gesamtwirtschaftlichen Produktion in die Investitionen fließt – es wird zu viel gespart und zu wenig konsumiert.