Rückbau von Kernkraftwerken : Gabriel will Atom-Rückstellungen „Stresstest“ unterziehen
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Alte Schalttafel in der Steuerzentrale des geschlossenen Atomkraftwerks in Stade Bild: dpa
Um die Kosten für den Rückbau alter Atomkraftwerke stemmen zu können, haben die Energieversorger 35,8 Milliarden Euro Rückstellungen gebildet. Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel ist dennoch besorgt.
Wegen wachsender Zweifel an der Sicherheit der Rückstellungen der Atomkonzerne für den Rückbau der Anlagen werden diese umfassend überprüft. „Dazu werden wir in einem ersten Schritt mit einem Stresstest die Jahresabschlüsse der Betreiber überprüfen“, heißt es in einem Schreiben von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) an die Bundestagsfraktionen von Union und SPD, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Darüber hinaus müsse die Haftung für alle Kosten auch bei gesellschaftlichen Umstrukturierungen gewährleistet sein - der Eon-Konzern will sein Kraftwerksgeschäft abspalten.
Zudem werde die Einrichtung eines öffentlich-rechtlichen Fonds geprüft, in den die Atom-Rückstellungen überführt werden könnten. „Mit diesem Ansatz werden wir dazu beitragen, den Rückbau der Kernkraftwerke in Deutschland und ihrer Entsorgung verursachergerecht finanziell zu sichern und sozialverträgliche Lösungen für die Beschäftigten zu finden“, betont Gabriel.
Gutachten empfiehlt öffentlichen Fonds für Atomkraftwerks-Abriss
Laut einem Regierungsgutachten könnten auf den Steuerzahler im Falle einer Pleite der Atomkonzerne milliardenschwere Lasten für den Abriss alter Meiler und die Endlager zukommen. Es gebe „Risiken faktischer und rechtlicher Art, dass die durch die Betreibergesellschaften getroffene finanzielle Vorsorge im Kernenergiebereich nicht ausreicht“, heißt es im Gutachten der Kanzlei Becker Büttner Held, das die Bundesregierung in Auftrag gab und der Nachrichtenagentur Reuters vorliegt. Es sei daher nicht auszuschließen, dass auf die öffentliche Hand erhebliche Kosten zukommen könnten.
Die Unternehmen haben insgesamt 35,8 Milliarden Euro an Rückstellungen für den AKW-Rückbau und die Endlagerung gebildet. Das Gutachten empfiehlt, die Rückstellungen zumindest teilweise in einen externen Fonds zu überführen.
Grüne und Linke warnen angesichts der Krise bei den großen Energieversorgern durch den Verlust von Marktanteilen im Zuge der Energiewende vor großen Risiken. Die Steuerzahler dürften nicht zur Bewältigung des Atomzeitalters zur Kasse gebeten werden.
Die Atom-Rückstellungen der Betreiber
In einem Gutachten der Bundesregierung wird bezweifelt, dass die Rückstellungen der Betreiber von Atomkraftwerken für den Abriss der Meiler und die Müllentsorgung ausreichen. Nachfolgend einige Fakten zu den Rückstellungen.
- Gesetzeslage: Für den Abriss der Kernkraftwerke und die Müllbeseitigung sind die Betreiber verantwortlich. Nach dem Atomgesetz müssen sie eine ausreichende Vorsorge dafür nachweisen. „Der Nachweis ist jährlich zum 31. Dezember fortzuschreiben und bis spätestens 31. März des darauffolgenden Jahres vorzulegen. Eine erhebliche Veränderung der der Entsorgungsvorsorge zugrundeliegenden Voraussetzungen ist der zuständigen Behörde unverzüglich mitzuteilen“, heißt es in den Gesetz.
- Höhe der Rückstellungen: Die Versorger haben Rückstellungen in Höhe von rund 38,5 Milliarden gebildet. Dabei entfallen auf Eon 16,6 Milliarden Euro, auf RWE 10,3 Milliarden, auf ENBW 8,1 Milliarden und auf Vattenfall etwa 3,5 Milliarden Euro.
- Wo stecken die Summen? Die Rückstellungen liegen nicht auf den Tages- oder Festgeldkonten der Versorger. Sie sind teilweise in Sachwerten gebunden. Dazu gehören etwa Kraftwerke und Stromnetze. Der Wert dieser Anlagen hat sich aber in den vergangenen Jahren zum Teil deutlich verringert. Im europäischen Vergleich seien die AKW-Rückstellungen in Deutschland am höchsten, betonen die Versorger.
- Reichen die Rückstellungen aus? Die Versorger bekräftigten dies immer wieder. Die Rückstellungen würden jedes Jahr von unabhängigen Wirtschaftsprüfern testiert. „Wir leisten darauf auch einen Bilanzeid als Vorstand“, sagt RWE-Finanzchef Bernhard Günther. In diesem versichern die Unternehmen, dass die Höhe der Rückstellungen den adäquaten Stand der Verpflichtungen, die sich aus der Kernenergie-Entsorgung ergeben, widerspiegele. Kritiker weisen immer wieder darauf hin, dass Atommüll Jahrtausende strahlt und eine genaue Kostenschätzung deshalb kaum möglich sei.