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Belästigung : Macht, Sex & Lügen

Vier Jahre lang hat Kevin Spacey den skrupellosen Politiker Frank Underwood in der Serie „House of cards“ verkörpert. Jetzt hat Netflix die Zusammenarbeit mit ihm beendet. Bild: © 2013 MRC II Distribution Company L.P

Du kannst mit Frauen alles machen, wenn Du berühmt bist. So prahlte Donald Trump einst. Das hat sich gründlich geändert. Sexuelle Belästigung kostet inzwischen massenweise Karrieren.

          8 Min.

          Es ist noch nicht lange her, da thronte Kevin Spacey ganz oben, und die Welt lag ihm zu Füßen. Wie in seiner Rolle als Frank Underwood in der Kultserie „House of Cards“, die nun schon in die sechste Staffel geht. 58 Jahre ist der Schauspieler alt, Multimillionär, doppelter Oscar-Gewinner. Das Leben begann schon langweilig zu werden, deshalb rettete er erst ein traditionsreiches englisches Theater und wandte sich dann als Investor anderen Herausforderungen zu. Auch da wieder: Jubel, selbst dort, wo es sonst eigentlich keinen gibt, auf elitären Wirtschaftstreffen wie in Davos oder in München.

          Corinna Budras
          Wirtschaftskorrespondentin in Berlin.

          Jetzt reichte eine Anschuldigung in einem amerikanischen Online-Magazin, um alles ins Wanken zu bringen. Vor mehr als 30 Jahren soll Spacey den damals 14 Jahre alten Schauspieler Anthony Rapp sexuell belästigt haben. Spacey reagierte postwendend (und nicht zu seinem Vorteil): An den Vorfall könne er sich nicht erinnern, aber wenn die Vorwürfe stimmten, täte es ihm von Herzen leid. Und übrigens sei er schwul. Den Zeitpunkt für sein Coming-Out hätte er kaum ungünstiger wählen können. Die Antwort seines Auftraggebers Netflix auf die Vorwürfe fiel rigoroser aus: Sofortiger Stopp der Dreharbeiten, die Sache wird jetzt umfangreich aufgearbeitet, die Mitarbeiter befragt. Eine Karriere ist zu Ende. Eine Milliarden-Marke, die Spacey bis vor kurzen war, ist nichts mehr wert.

          Was sind das für Zeiten: keine Krisengespräche mehr in Hinterzimmern, kein Vertuschen, kein erkauftes Stillhalten. Der Schleier des Schweigens ist weggerissen, der Fall wird vor aller Welt verhandelt. Genauer: dieser Fall und viele weitere. Denn kommt ein Stein ins Rollen, reißt er andere mit. Rapp, so stellt es sich zumindest in der Öffentlichkeit dar, war womöglich erst der Anfang. Auch jetzt noch, am Set von „House of Cards“, soll Spacey immer wieder mit Avancen und handfesten Übergriffen aufgefallen sein. Und jeder soll es gewusst haben. Ob das alles stimmt, ist noch nicht bewiesen, aber die Unschuldsvermutung hat in diesen Tagen einen schweren Stand. Sie ist kaum der Erwähnung wert. Erst werden Fakten geschaffen, dann ermittelt. Gerade einmal eine Woche brauchte Netflix, um jegliche Zusammenarbeit mit Spacey zu beenden. Die Sache ist dringlich, zu viel Zeit wurde schon verschwendet. Dreißig Jahre, womöglich sogar länger.

          Nach Missbrauchs-Vorwürfen : Netflix feuert Kevin Spacey

          Nach Weinstein kein Stillhalten mehr?

          Der, der diese neue Ära unfreiwillig eingeläutet hat, ist Harvey Weinstein, amerikanischer Filmproduzent, ebenfalls ein überragend erfolgreicher Mensch von eher unvorteilhafter Erscheinung aber mit einer bemerkenswerten Machtfülle. Er hat in Hollywood jahrzehntelang über Karrieren entschieden, häufig unter Zuhilfenahme der vielzitierten Bewerbungscouch. Das scheint nicht ansatzweise so harmlos abgelaufen zu sein, wie jahrzehntelang gewitzelt wurde, auch zu Vergewaltigungen soll es gekommen zu sein. Einige Frauen wurden mit hohen Geldbeträgen und rigiden Verträgen zum Schweigen gebracht. Die jungen Frauen sahen sich dann einer Armada von Wirtschaftsanwälten gegenüber, die im Namen von Harvey Weinstein die Verhandlungen übernahm.

          Diese Schweigegelübde werden nun reihenweise gebrochen, inzwischen sollen sich mehr als 50 Frauen gemeldet haben. Auch hier wieder kurzer Prozess im durch und durch unjuristischen Sinn: Die eigene Firma schmeißt ihren Namensgeber heraus, die ehrenvolle Oscar-Akademie eines ihrer prominentesten Mitglieder. Und andere folgen dem Beispiel: Amazon hat kürzlich den Chef seiner Filmstudios entlassen, nachdem er einer Produzentin unmissverständliche Avancen gemacht haben soll. Hier wie dort sollen Exempel statuiert werden: Sexuelle Belästigung wird von niemandem akzeptiert. Inzwischen jedenfalls, so möchte man anfügen. Was ist da los? Woher diese neue Entschlussfreudigkeit nach Jahren des Dahindämmerns?

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