Schulze stellt Gutachten vor : „Eine CO2-Abgabe ist kein Allheilmittel“
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Svenja Schulze mit Uwe Nestle (l-r), Claudia Kemfert und Katja Rietzler Bild: EPA
Klimafreundliches Verhalten muss sich lohnen, findet Umweltministerin Schulze. Dafür brauche es einen Mix aus Vorschriften und Fördermaßnahmen. Ihre Ideen aber kommen bei der Union nicht gut an.
Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) erwägt, die Energiesteuern auf Benzin, Diesel, Heizöl und Erdgas deutlich zu erhöhen. Nach Berechnungen, die sie am Freitag vorstellte, würde damit der Preis kurzfristig um etwa 10 Cent den Liter ansteigen, Gas würde um 1 Cent je Kilowattstunde teuer. Bis 2030 müsste der Anstieg dann um das Sechsfache steigen, von 30 auf 180 Euro je Tonne CO2. Die Mehreinnahmen sollen vollständig an die Bürger zurückgezahlt werden. Schulze sprach von einer „Klimaprämie“ von 75 bis 100 Euro je Person im Jahr. Sollte dann noch Geld übrigbleiben, könnten auch Stromkosten reduziert werden.
Schulzes „Klimaprämie“ erinnert an das „Energiegeld“ von 100 Euro für jeden Bürger, mit dem die Grünen zusätzliche Einnahmen aus der Kohlendioxidabgabe zurückzahlen wollen. Damit verbunden wäre ein neuer Bürokratieaufwand: Für die Rückerstattung müsste die Bundesverwaltung die Adressen der Bürger aktualisieren und ihre Kontonummern erfragen.
Die Gutachter preisen ihr Konzept als sozial ausgewogen. Untere Einkommen würden entlastet, für mittlere seien die Folgen neutral, nur höhere Einkommen würden stärker belastet. Das sei angesichts der sich weitenden Schere der Einkommen auch sozialpolitisch hilfreich. Schulze sagte, „im Durchschnitt“ bekämen die Bürger das zurück, womit sie zusätzlich belastet würden. Pendler, Vielfahrer und Bewohner in ungedämmten Häusern würden sich schlechter stellen – aber Verbrauchsminderung sind schließlich das Ziel der Abgabe. Verfassungsrechtlich sei die Einführung der Abgabe möglich. „Klimafreundliches Verhalten muss sich lohnen. Wer meint, das nicht zu tun, der muss dafür auch zahlen“, sagte Schulze.
CO2-Preis allein reiche nicht
Die Umweltministerin will auch die Wirtschaft entlasten. Unternehmen sollen den von ihnen getragenen fast hälftigen Anteil der Zusatzkosten zurückerstattet bekommen. Mittel dazu wäre eine Entlastung bei den Stromkosten, die durch die Förderung des Ökostroms in Deutschland besonders hoch sind sowie aus den Einnahmen gespeiste gezielte Förderprogramme – etwa zum Umstieg auf Elektroautos. Schulze nannte explizit Pflegedienste, Hebammen und Handwerkbetriebe. Die Gutachter raten zu weiteren Hilfen, etwa für Speditionen.
Ein CO2-Preis reiche alleine aber nicht, um die Klimaziele zu erreichen, sagte Schulze. Man brauche einen Mix aus neuen Vorschriften und Fördermaßnahmen. Die Energieexpertin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung sagte, die geplante Abgabe würde die Emissionen zwar mindern. Doch könnten damit allein die Klimaziele nur zu einem Drittel erreicht werden.
„Eine CO2-Abgabe ist kein Allheilmittel“, sagte Schulze. Sie warb deshalb für das von ihr geplante und der Union bekämpfte Klimaschutzgesetz mit detaillierten Einsparvorgaben für jeden der fünf Wirtschaftsbereiche Energie, Industrie, Verkehr, Gebäude und Landwirtschaft.
Sondergutachten zur CO2-Bepreisung
Auch darüber berät das Klimakabinett der Regierung. Übernächste Woche will der Kabinettsausschuss unter Führung den Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mehrere Gutachten für eine CO2-Bepreisung beraten. Dabei dürfte neben den drei von Schulze in Auftrag gegeben Studien weitere zur Sprache kommen. So überreicht der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Lage Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Freitag kommender Woche ein Sondergutachten zur CO2-Bepreisung.
Dezidiert äußerten sich die von Schulze beauftragten Gutachter gegen eine Ausweitung des Emissionshandels. Weil das ein Instrument zur Steuerung der Emissionsmenge sei, wisse man am Ende nicht, wie hoch die Erlöse aus dem Verkauf der Emissionsrechte ausfallen würde. Befürworter einer Ausweitung des heute bereits für Energiewirtschaft und Industrie bestehenden europaweiten Rechtehandels, darunter die Mittelstandsunion von CDU und CSU, die FDP oder Wirtschaftsverbände, argumentieren genau andersherum:
Weil die noch erlaubten Emissionsmengen vorab festgelegt und dann versteigert würden, könne man auch nur dann sicher sein, dass die beabsichtigten Minderungen auch wirklich erreicht werden. Andernfalls könnte nur ein Preis- und Einnahmeeffekt entstehen, wenn die Leute auch bei höheren Spritpreisen nicht weniger mit dem Auto führen, oder – wo möglich – beim Tanken ins preiswertere Ausland auswichen.