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Fragwürdige Arbeitsbedingungen : Ryanair gerät ins Zwielicht

  • -Aktualisiert am

Das fliegende Personal von Ryanair klagt über seine Arbeitsbedingungen. Bild: Reuters

Niedriglöhne und Knebelverträge für das fliegende Personal bringen die Billig-Airline aus Dublin in Erklärungsnot. Der Druck, die Probleme zu lösen, ist größer denn je.

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          Das fliegende Personal von Ryanair verstärkt seinen Widerstand gegen die Arbeitsbedingungen in der Fluglinie. Nachdem unlängst die Piloten des Billigfluganbieters gegen Niedriglöhne und Knebelverträge rebellierten und bessere Arbeitsverträge forderten, zieht das Kabinenpersonal nach: Zumindest für die bis zu 1000 in Deutschland tätigen Flugbegleiter der irischen Gesellschaft sollten nationale Tarifverträge gelten, heißt es. Die Branchengewerkschaft Ufo forderte Ryanair daher zu Verhandlungen über ein solches Regelwerk auf.

          Ryanair wies gegenüber dieser Zeitung die Vorwürfe zurück. „Ryanair wird sich nicht mit Ufo oder anderen Vertretern treffen, die falsche Aussagen über die Gehälter bei Ryanair tätigen“, sagte der Pressesprecher Robin Kiely am Dienstagabend. Kein Ryanair-Bordmitarbeiter habe jemals einen derartig geringen Betrag von 18.000 Euro im Jahr verdient, da das Bordpersonal bei Ryanair bis zu 40.000 Euro je Jahr verdienen könne.

          Ufo-Vertreter sind überzeugt, dass Ryanair in Deutschland auf „schlicht illegale“ Arbeits- und Vergütungs-Bedingungen setzt. „Mit Bruttolöhnen von rund 1200 Euro im Monat und bei ständiger Schicht-, Wochenend- und Feiertagsarbeit ist es ohnehin schwer, in Deutschland finanziell über die Runden zu kommen“, sagte Ufo-Chef Alexander Behrens am Dienstag. Was die aktuelle Misere des fliegenden Personals verschärft: Viele Kabinen-Mitarbeiter würden in jedem Winter für mehrere Wochen unbezahlt freigestellt, um so Personalkosten zu sparen.

          Ryanair ist die größte Billigfluggesellschaft in Europa und erwirtschaftet seit Jahren mit die höchsten Gewinne der Branche. Doch im Gegensatz zum britischen Rivalen Easyjet steht der irische Preisbrecher gerade in Deutschland als dubioser Arbeitgeber in Verruf. In jüngster Zeit mehrten sich die Hinweise, dass Ryanair-Piloten – über externe Personaldienstleister – auch hierzulande mit Knebelverträgen und als Scheinselbständige ohne ausreichende soziale Absicherung zum Einsatz kommen.

          Arbeitskämpfe unter Strafe

          Damit nicht genug. Nach Angaben der Vereinigung Cockpit (VC) sind in der von Dublin aus gesteuerten Gesellschaft auch vertragliche Zusatzvereinbarungen üblich, wonach die Teilnahme an Arbeitskämpfen mit dem Wegfall von Bonuszahlungen und schlechteren Arbeitszeiten „bestraft“ wird. „Unsere Mitarbeiter interessieren sich nicht für Gewerkschaften“, erklärte Ryanair-Chef Michael O’Leary bislang die Abstinenz von Betriebsräten in der Zentrale und im Ausland.

          Um die Arbeitsverträge für Piloten anzupassen, dringt in Kürze auch die VC auf Tarifverhandlungen mit Ryanair. Die neuen Arbeitsverträge müssten sich an den gängigen Standards vergleichbarer Konkurrenten wie etwa Easyjet oder der Lufthansa-Gesellschaft Eurowings orientieren, heißt es dort. Dass Ryanair es mit dem Kostendrücken teilweise überzieht, belegt folgender Vergleich: Die Personalkosten der Iren liegen um bis zu 40 Prozent unter denen der Deutschen Lufthansa, während die Billigflug-Plattform Eurowings das Niveau ihres Mutterkonzerns nur um 20 Prozent unterbietet.

          Auch Flugbegleiter wurden nach irischem Recht beschäftigt, das kürzeste Kündigungsfristen, weniger Urlaubstage sowie die dauerhafte Anstellung in Leiharbeit vorsieht. Doch das wird sich wohl bald ändern. Kürzlich stärkte der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil die Rechte der Ryanair-Mitarbeiter. Danach könne das fliegende Personals an ausländischen Standorten vor nationalen Arbeitsgerichten klagen.

          Die Tiefpreise für Tickets von Ryanair dürften nicht länger zu Lasten der Beschäftigten gehen, sagte Ufo-Tarifvorstand Nicoley Baublies. Die Gesellschaft verschaffe sich durch Lohndumping und Umgehung gesetzlicher Bestimmungen unfaire Wettbewerbsvorteile. Insofern seien auch die Beschäftigten der insolventen Air Berlin Opfer von „Konkurrenten, die Arbeitnehmerrechte mit Füßen treten“.

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