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Russisches Wirtschaftsforum : Putins Inszenierung

Putin inszeniert sich und spricht bei der Verleihung der Ehrendoktorwürde der Staatlichen Universität Sankt Petersburg an Xi Jinping. Bild: dpa

Auf dem Wirtschaftsforum in Sankt Petersburg präsentiert Putin sein Land als Investorenparadies und nennt Xi Jinping seinen „besten Freund“. Manches wirkt einigermaßen schräg.

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          Auf dem Wirtschaftsforum von Sankt Petersburg präsentiert sich Russland als modernes Investorenparadies. In einer Kongresshalle vor den Toren der Stadt reihen sich Pavillons der großen Unternehmen und Regionen aneinander, nicht nur der russischen: Die 2014 annektierte ukrainische Halbinsel Krim wirbt mit einem Nachbau ihres Wahrzeichens, der Burg „Schwalbennest“, um Investoren.

          Katharina Wagner
          Wirtschaftskorrespondentin für Russland und die GUS mit Sitz in Moskau.

          Schon die Themen der Konferenz, die der wichtigste Termin des Jahres für die russische Wirtschaft ist, zeigen den Anspruch, auf Augenhöhe mit den Industrienationen zu sein: Es geht um nachhaltige Entwicklung, die Zukunft der Weltwirtschaft, die Digitalisierung. Das wirkt manchmal schräg, etwa wenn ein Vertreter des staatlichen russischen Eisenbahnkonzerns über die Digitalisierung der Wartungsarbeiten spricht, während ein großer Teil des Landes nicht an das Schienennetz angeschlossen ist.

          Beste Freunde Xi und Putin

          Zur Inszenierung passt auch der diesjährige Ehrengast China. Der Besuch Xi Jinpings, der Präsident Wladimir Putin seinen „besten Freund“ nennt, ist für beide Seiten vor allem von symbolischem Nutzen im Konflikt mit dem gemeinsamen Gegner, den Vereinigten Staaten. China und Russland, so wurde am Freitag aus den Reden Putins und Xis auf der Vollversammlung des Forums deutlich, sehen sich als Vertreter von Ländern, deren Entwicklung vor allem von Washington blockiert werde, nicht aber durch eigene Missstände, wie etwa die Korruption in Russland.

          Das euro-atlantische Wirtschaftssystem sei in der Krise, so Putin, der Anteil der Schwellenländer an der Weltwirtschaft aber steige. Putin schimpfte auf Staaten, „die früher die Prinzipien von freiem Handel und ehrlicher Konkurrenz“ vertreten hätten, jetzt aber in der Sprache von Handelskriegen und Sanktionen sprächen, mittels Daumenschrauben, Einschüchterung, dem Ausschalten von Konkurrenten. Als Beispiele nannte er das Pipelineprojekt Nord Stream 2 und Huawei, das man versuche, vom globalen Markt zu stoßen. Manche, so Putin, sprächen schon vom „ersten technologischen Krieg der beginnenden digitalen Epoche“.

          Pandabären für den Moskauer Zoo

          Die Partnerschaft von China und Russland ist ungleich; China ist für Russland wirtschaftlich viel wichtiger als andersherum. Und auch für Russland ist die EU nach wie vor der engste Handelspartner. Doch die Bilder von Putin und Xi bootfahrend auf der Newa oder im Moskauer Zoo, in den zwei von Xi mitgebrachte Pandabären eingezogen sind, haben großen Wert für Putin.

          An der zunehmenden Unzufriedenheit in der Bevölkerung werden sie allerdings wohl kaum etwas ändern. Die Realeinkommen sinken seit Jahren, dringend müsste ein fühlbarer Aufschwung her, doch für dieses Jahr wird ein Wachstum von nur etwas mehr als 1 Prozent erwartet. Die Regierung will mit einem Investitionsprogramm in Höhe von etwa 340 Milliarden Euro die Wende schaffen, doch ist zu erwarten, dass ein Großteil des Geldes ohne größeren Effekt in staatlichen und staatsnahen Unternehmen versickert.

          „Und alles ist gut“

          Auch die Bundesregierung war in Gestalt von Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) in Sankt Petersburg vertreten. Altmaier unterzeichnete am Freitag mit dem russischen Wirtschaftsminister Maxim Oreschkin eine Absichtserklärung für eine „Effizienzpartnerschaft“, also engere wirtschaftliche Zusammenarbeit, die in der Praxis wohl kaum Folgen haben wird.

          Aus der deutschen Wirtschaft kamen auch in diesem Jahr wieder Stimmen, die in Sankt Petersburg ein Ende der Sanktionen forderten und einen „Neuanfang“ der Beziehungen. Ähnlich äußerte sich am Freitag Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU), bevor er mit Manuela Schwesig (SPD), der Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, in Sankt Petersburg eintraf.

          Neben den Sanktionen dominierte ein weiteres, inoffizielles Thema das Forum: Der Fall des amerikanischen Investors Michael Calvey, der im Februar mit fünf Partnern seines Fonds Baring Vostok wegen Betrugsvorwürfen in Moskau festgenommen wurde. Seit April steht er unter Hausarrest. Ein französischer Banker sitzt weiterhin in Untersuchungshaft. Grund ist vermutlich ein Streit mit russischen Geschäftspartnern, die Calvey anzeigten.

          Viele ausländische Unternehmer in Russland sind besorgt, weil Calvey als Vorzeigeinvestor galt, der sich weder politisch noch in brisante Wirtschaftsbereiche wie den Energiesektor eingemischt habe. Der amerikanische Botschafter in Russland, Jon Huntsman, hatte deshalb seine Teilnahme an dem Wirtschaftsforum abgesagt. Putin kommentierte am Freitag den Fall Calvey erstmals öffentlich. Ob er schuldig sei oder nicht, müssten Ermittler und Gerichte klären. Ausländischen Investoren riet Putin: „Klaue nicht, verhalte Dich, wie es sich gehört, und alles ist gut.“

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