Abstimmung in der Schweiz : Zwangsgebühren für den Rundfunk
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Am 4.März stimmen die Schweizer über die Finanzierung ihres öffentlich-rechtlichen Rundfunks ab. Bild: Picture-Alliance
Die Schweizer zahlen für ihren öffentlich-rechtlichen Rundfunk fast doppelt so viel wie die Deutschen. Jetzt haben sie die Wahl, ob das so bleibt.
„Todesdrohung gegen Fernsehmoderator“, titelten Schweizer Zeitungen kürzlich. In der Talkshow „Arena“, eine Art „Hart aber fair“ des Schweizer Fernsehens, sind sich der Moderator Jonas Projer und Olivier Kessler in die Haare geraten. Kessler ist Mitinitiator einer Volksinitiative, die seit Monaten hohe Wellen schlägt in der Schweiz – und die im Falle der Annahme auch in Deutschland für Zündstoff sorgen würde. Es geht um die Abschaffung der Radio- und Fernsehgebühren. Darüber stimmen die Eidgenossen am 4. März ab. Und darüber wurde in der „Arena“ tüchtig gestritten. Etliche Befürworter sahen Kessler, ihren Vorkämpfer für eine von Zwangsgebühren befreite Schweiz, von einem Profiteur des bestehenden Systems, also Projer, ungerecht behandelt. Es hagelte Proteste, darunter ein anonymer Tweet an den Moderator mit der Zeile: „Mitten in der Nacht werden wir kommen und Dich richten!“
Nun sollte man eine einzelne verbale Entgleisung im Netz nicht überbewerten. Gleichwohl zeigt der Fall exemplarisch, wie sehr diese Abstimmung die Gemüter bewegt. Vor ein paar Jahren galt es noch als undenkbar, dass es der 1931 gegründeten Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG) ernsthaft an den Kragen gehen könnte. Sie ist eine nationale Institution, die den gesetzlichen Auftrag hat, in allen vier Sprachregionen der Schweiz – also auf Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch – ein vielfältiges Informations-, Unterhaltungs- und Kulturprogramm anzubieten. Während des Zweiten Weltkriegs war das SRG-Radio ein wichtiger Pfeiler der „geistigen Landesverteidigung“ gegen die Propaganda aus Nazi-Deutschland und Mussolinis Italien.
Kein Entrinnen vor der Gebühr
Ähnlich wie ARD und ZDF in Deutschland wurde die SRG in der Schweiz über die Jahrzehnte immer größer. Heute gehören sieben Fernseh- und 17 Radiosender zur Gruppe, die rund 6000 Mitarbeiter beschäftigt. Ihre Einnahmen von 1,64 Milliarden Franken im Jahr kommen zu drei Vierteln aus Gebühren und zu einem Viertel aus Werbung. Seit 1990 ist die Gebühr für die Radio- und Fernsehnutzung um gut 61 Prozent auf 451,10 Franken im Jahr gestiegen. Das entspricht 390 Euro, fast doppelt so viel wie in Deutschland. Nirgendwo in Europa müssen die Bürger mehr berappen für ihr „Staatsfernsehen“. Allerdings sind Einkommen und Kaufkraft der Eidgenossen auch deutlich höher als in anderen Ländern.
Jedenfalls kam die öffentliche Debatte über Sinn und Unsinn des gebührenfinanzierten Fernsehens in der Schweiz erst richtig ins Rollen, als die Politiker dort beschlossen, den gleichen Fehler zu machen wie die deutsche Regierung 2013: Statt die Gebühren weiterhin von den Besitzern eines Radio- oder Fernsehgeräts durch die „Billag“ eintreiben zu lassen, dem Pendant zur (inzwischen ersetzten deutschen) GEZ, soll ab Anfang 2019 jeder Haushalt eine Zwangsabgabe bezahlen. Diese soll dann zwar auf 365 Franken sinken. Gleichwohl bildet diese Umstellung die Basis für den Widerstand, der nun in Teilen der Bevölkerung und der Wirtschaft zu spüren ist.
Dass es künftig partout kein Entrinnen mehr geben soll vor der Rundfunk- und Fernsehabgabe, erzürnt nicht nur jene, die weder Radio- noch Fernsehgerät besitzen und im Internet lieber Filme beim Streaming-Dienst Netflix abrufen oder ihren Informationsdurst über die Angebote privater Verlage stillen. Die neue Zwangsgebühr gleicht einer Steuer. Und darauf reagieren sehr viele Schweizer allergisch.
Information, Unterhaltung und Kultur
In dieser Stimmungslage fällt so manches Argument der Initiatoren von „Ja zur Abschaffung der Radio- und Fernsehgebühren“ (besser bekannt unter dem Kurztitel „No-Billag“) auf fruchtbaren Boden. Sie kommen aus der libertären Szene, die den staatlichen Einfluss auf die Gesellschaft minimieren will. Zwangsgebühren sind für sie des Teufels. „Jeder soll selbst entscheiden können, für was er sein hart erarbeitetes Geld ausgeben möchte“, schreiben sie auf ihrer Internetseite. Und: Befreit von staatlicher Finanzierung und politischem Einfluss, entstehe ein fairer Wettbewerb auf dem Medienmarkt, der zu besseren und vielfältigeren Angeboten sowie niedrigeren Preisen führen werde. Im Übrigen, so argumentieren der 31 Jahre alte Olivier Kessler und seine noch jüngeren Mitstreiter, gehe es in ihrer Initiative um die Abschaffung der Zwangsgebühren, nicht jedoch um die Abschaffung der SRG. Diese müsse sich in Zukunft eben „wie die meisten anderen Unternehmen auch“ selbst finanzieren, etwa durch den Verkauf von TV-Abos.