Richard Easterlin : Geld allein macht auch nicht glücklich
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Nicht der Markt, sondern die Politik beseitigt Arbeitslosigkeit
Heute, vierzig Jahre später, nach Jahren der Krise, ist dieser Ruf populärer denn je. Doch was soll an die Stelle des Wachstums rücken? Wie will man das Glück der Menschen definieren und messen? Wie lassen sich die schweren methodischen Probleme lösen? In Deutschland hat eine Bundestags-Enquêtekommission „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität“ lange über diesen Fragen gebrütet. In Frankreich hatte der frühere Präsident Nicolas Sarkozy eine Kommission unter Leitung der Nobelpreisträger Joseph Stiglitz und Amartya Sen mit einem Bericht beauftragt. In Großbritannien müht sich die Statistikbehörde mit einem Glücksindex ab. Im südasiatischen Bhutan ist man weiter: Dort strebt die Regierung danach, das „Bruttosozialglück“ zu maximieren.
Easterlin betont immer wieder, dass ihm das Normative, Wertende an der Ökonomie missfalle. Er ist ein keynesianisch geprägter, pragmatischer Ökonom, dem die Empirie mehr bedeutet als die Theorie und subjektive Fakten mindestens so viel wie objektive. Wie John Maynard Keynes selbst raubt ihm die Sorge, dass Regierungen falsch handeln könnten, nicht den Schlaf. Man müsse sie eben gut beraten. „Die ökonomische Wissenschaft hilft uns, unser Schicksal zu kontrollieren“, frohlockt er, der ursprünglich Ingenieurwesen studiert hat. Nicht Marktkräfte seien es gewesen, die Not und Arbeitslosigkeit als Massenphänomen beseitigt hätten, sondern kluges politisches Handeln.
Und am Ende steht der Paternalismus
Easterlin, der heute an der University of Southern California lehrt und mit der dortigen Gerontologin Eileen Crimmins verheiratet ist, bezeichnet es schlicht als die Aufgabe des Ökonomen, menschliche Erfahrungen zu bestimmten Zeitpunkten und an bestimmten Orten zu erklären. Hierfür, betont er, reiche das enge Paradigma der Mainstream-Ökonomie nicht aus. Der Mensch sei nicht nur ein Homo oeconomicus; er fälle seine Entscheidungen selten rational und wohlinformiert. Die Präferenzen seien nicht fix, sondern fließend und dabei wesentlich sozial determiniert: Das Sein bestimme das Bewusstsein, wie schon Karl Marx wusste. Um individuelle Entscheidungen und sich daraus ergebende soziale Phänomene zu verstehen, müsse man sich mit dem historischen, kulturellen, sozialen Umfeld befassen sowie psychologische Faktoren berücksichtigen. Für Easterlin ist es ein Drama, dass das Curriculum der Ökonomen heute so wenig Interdisziplinarität vorsieht.
Mit dem Erklären ist es für ihn indes nicht ganz getan: Die aus der Empirie gewonnene ökonomische Erkenntnis soll schon auch – natürlich wohlmeinend – verwendet werden. Easterlin selbst gab einst in einem Interview ein bezeichnendes Beispiel dafür, was das konkret bedeuten kann: Ein Arzt solle Menschenleben retten. Wenn die Menschen aber, sozial konditioniert, dem Irrglauben aufsäßen, Durchfall lasse sich nur durch Abführmittel kurieren, dann müsse der Arzt ihnen das Mittel, das der tatsächlich bedrohlichen Dehydrierung entgegenwirke, schlicht als Abführmittel unterjubeln. An diesem Beispiel zeigt sich genau die Crux der Glücksforschung: Sie führt auf direktem Wege in den Paternalismus. Weil man mit der Berufung auf das Glück der anderen alles bemänteln kann und weil leider nicht immer wohlmeinende paternalistische Ärzte am Werk sind, droht so die Freiheit unterzugehen. Und deshalb stellt sich am Ende eben doch unausweichlich eine Wertfrage.