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Rentenproteste in Frankreich : Die Fronten bleiben verhärtet

Französische Verhältnisse: So sieht es derzeit in vielen Straßen von Paris aus. Bild: dpa

In Frankreich wird weiter gestreikt, die Gewalt nimmt zu. Eine Befriedigung und Annäherung zwischen Regierung und Gewerkschaften sind nicht in Sicht.

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          Am Dienstag sind abermals Hunderttausende Franzosen auf die Straße gegangen, um dem Aufruf der Gewerkschaften folgend gegen die Rentenreform der Regierung zu demonstrieren. Einmal mehr kam es zu Verkehrsausfällen und Behinderungen im öffentlichen Leben.

          Niklas Záboji
          Wirtschaftskorrespondent in Paris

          In der Arbeitswelt gab es in vielen Unternehmen wegen der verstärkten Heimarbeit nur wenig Einschränkungen, im Alltag hinterlassen die nun schon seit Wochen andauernden Streiks etwa von Müllentsorgern und Raffineriearbeitern aber nach wie vor Spuren. In Paris stapeln sich weiterhin rund 7000 Tonnen Müll in den Straßen, und landesweit mangelt es etwa jeder sechsten Tankstelle an Benzin oder Diesel.

          Politisch zeichnet sich zwischen der französischen Regierung und den Gewerkschaftsvertretern keine substantielle Annäherung ab. Man werde die Rentenreform nicht auf Eis legen, zitierten Medien am Dienstagmittag aus dem Umfeld von Premierministerin Élisabeth Borne, auch wenn man offen dafür sei, „andere Wege“ zu finden.

          Die Gewerkschaften, die sich zuletzt über große Spendenbereitschaft freuen konnten und deren Streikkassen seit Anfang Januar einen Zufluss von mehr als 2,5 Millionen Euro aufweisen, konnten und wollten sich damit nicht zufriedengeben.

          „Das Land kann nicht stillstehen“

          Man müsse sich fragen, wer den Dialog nicht will, gab Laurent Berger, Generalsekretär der mitgliederstärksten Gewerkschaft CFDT, nüchtern zu Protokoll. Noch am Dienstagmorgen hatte Berger die Regierung über den reichweitenstärksten französischen Radiosender „France Inter“ zur Pausierung der Rentenreform aufgefordert.

          „Man muss sich einen Monat, eineinhalb Monate Zeit nehmen, um eine, zwei, drei Personen zu bitten, zu vermitteln, zu schlichten, zu den verschiedenen Parteien zu gehen und zu sagen: Was wollt ihr?“, sagte er. Ziel müsse es sein, „aus der Blockade herauskommen“, nachdem es bislang keine Suche nach einem „sozialen Kompromiss“ gegeben habe. Andernfalls würden die Proteste immer stärker.

          Die Fronten bleiben damit verhärtet. Präsident Emmanuel Macron hatte am Freitag vom EU-Gipfel in Brüssel aus gesagt, mit den Gewerkschaften über eine Reihe von Themen sprechen zu wollen, wenn sich bis Anfang, Mitte April der Verfassungsrat über die Rentenreform gebeugt hat. Mit einem „Das Land kann nicht stillstehen“ ließ er aber keinen Zweifel daran, das Vorhaben wie geplant über die Bühne zu bringen.

          Auch Premierministerin Borne konnte am Sonntag die Gemüter der Reformgegner nicht mit dem Versprechen beruhigen, in den kommenden drei Wochen zu Gesprächen zu laden und künftig auf die Anwendung des umstrittenen Verfassungsparagraphen 49.3 zu verzichten, der eine Verabschiedung von Gesetzen ohne finale Abstimmung ermöglicht. Denn einerseits soll es in den Gesprächen nicht um die Rentenreform an sich gehen, andererseits sollen Haushaltstexte von dem parlamentarischen Versprechen ausgenommen bleiben.

          Der Protest auf der Straße wird derweil immer gewaltsamer – und die ohnehin schon raue Tonlage immer rauer. Fabien Roussel, Chef der Kommunistischen Partei Frankreichs, warf Präsident Emmanuel Macron vor, ein „bürgerkriegsähnliches Klima“ zu schaffen, um die öffentliche Meinung umzudrehen. Der Parteichef des rechtsnationalen Rassemblement National, Jordan Bardella, attestierte dem Präsidenten „eine krankhafte Freude an dieser Unordnung und diesem Chaos“.

          Besonders große Empörung von Regierungsseite rief Jean-Luc Mélenchon von der linksradikalen Partei La France insoumise hervor. Nachdem es am Wochenende wegen eines ökologisch umstrittenen, geplanten Wasserspeichers in Sainte-Soline in Südwestfrankreich zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Polizei gekommen war, hatte Mélenchon Innenminister Gérald Darmanin beschuldigt, „die Randale organisiert zu haben“.

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