
Reform für die „Weisen“
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Die Wirtschaftsweise Veronika Grimm Bild: dpa
Die Berufung von Martin Werding ist ein erster Schritt aus der Krise. Das Gremium braucht aber eine tiefgreifendere Reform, um relevant zu bleiben.
Der Sachverständigenrat, der die Bundesregierung in Wirtschaftsfragen berät, hat einen ersten Schritt aus seiner Krise gemacht. Martin Werding, der Bochumer Finanz- und Wirtschaftswissenschaftler, soll auf Vorschlag der Arbeitgeber zum „Wirtschaftsweisen“ werden. Das ist zum einen eine gute Nachricht, weil Werding ein erfahrener und in Politik wie Wissenschaft anerkannter Forscher ist. Zum anderen fehlt dem nach dem überraschenden Rückzug von Volker Wieland auf drei Mitglieder geschrumpften Gremium nun nur noch ein neuer Kopf, um wieder die gesetzlich vorgesehene Größe von fünf Forschern zu erreichen.
Diesen fünften Platz, der seit dem Ausscheiden von Lars Feld vor mehr als einem Jahr vakant ist, muss die Bundesregierung nun schleunigst besetzen. Es schadet dem 1963 ins Leben gerufenen Gremium, dass sich sowohl die alte wie die aktuelle Regierung nicht auf die Feld-Nachfolge hat einigen können. Die Vakanz führt dazu, dass es im Rat ein Patt zwischen Veronika Grimm und Volker Wieland auf der eher ordnungspolitischen Seite und Achim Truger sowie Monika Schnitzer auf der eher linken Seite gab.
Der Rat konnte sich deshalb weder auf einen Vorsitz einigen, noch bezog er zuletzt in seinen Gutachten zu wichtigen Fragen wie der Schuldenbremse eindeutig Position. Um die zunehmende Politisierung des Rates zu beenden, muss jetzt endlich ein fünftes Mitglied berufen werden, das keiner Partei klar zuzuordnen ist und fachlich über jeden Zweifel erhaben ist.
Damit das Gremium, das gerade in Krisenzeiten wie diesen dringend gebraucht wird, wieder schlagkräftiger wird, braucht es aber noch etwas anderes: Anstatt sich vor allem auf das mehrere Hundert Seiten starke Jahresgutachten im Herbst zu konzentrieren, sollte der Rat mehrmals im Jahr kürzere, aktuellere Expertisen veröffentlichen.
Daraus könnte sich ein ganz anderer, kontinuierlicher Austausch mit der Regierung entwickeln als die punktuellen Zusammenkünfte, die derzeit stattfinden. Die wenig schrille Stimme des Rates könnte die Debatte prägen und wäre außerdem ein wohltuendes Gegengewicht zu den teilweise hysterischen Debatten, die sich Ökonomen in den sozialen Netzwerken liefern.