Rede des Finanzministers : Brexit reißt Loch in den Staatshaushalt
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Finanzminister Philip Hammond reagiert in seiner Haushaltsansprache auf die ökomischen Folgen des Brexits. Direkt neben ihm hört die Premierminister Theresa May zu. Bild: Reuters
Die britische Regierung erwartet weniger Wachstum und mehr Schulden. An den Steuerplänen für Unternehmen hält sie fest.
Die Regierung in London rechnet wegen des bevorstehenden Austritts Großbritanniens aus der EU mit weniger Wirtschaftswachstum und einem viel größeren Haushaltsloch als bisher erwartet. Der Schatzkanzler Philip Hammond kündigte in seiner halbjährlichen Haushaltsrede an, in den kommenden fünf Jahren insgesamt 122 Milliarden Pfund (144 Milliarden Euro) mehr Schulden zu machen als noch im Frühjahr angenommen. Die bisherigen Pläne zur Sanierung der Staatsfinanzen werden aufgegeben.

Redakteur in der Wirtschaft der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.
Zugleich erklärte Hammond, die Regierung wolle dafür sorgen, dass mehr Briten als bisher am Wohlstand des Landes teilhaben. Es solle eine Volkswirtschaft geschaffen werden, „die allen zu Gute kommt“. Politiker der oppositionellen Labour Party warfen der Regierung dagegen vor, sie sei „unvorbereitet“ und habe keinen Plan für den bevorstehenden Brexit. Großbritannien will die EU bis zum Frühjahr 2019 verlassen.
Es ist das erste Mal seit dem britischen EU-Referendum im Juni, dass die neue Regierung in London konkrete Prognosen zu den erwarteten wirtschaftlichen und fiskalischen Folgen des EU-Austritts nennt. Für 2017 rechnet Hammond nur noch mit einem Wirtschaftswachstum von 1,4 Prozent statt bislang 2,2 Prozent und für 2018 mit 1,7 Prozent statt 2,1 Prozent Wachstum. In diesem Jahr dagegen werde die britische Wirtschaft voraussichtlich um 2,1 Prozent expandieren – und damit etwas stärker als bisher angenommen. Großbritannien sei damit Wachstumsspitzenreiter unter den größten Industriestaaten. Bei seinen Prognosen stützt sich Hammond auf Schätzungen der unabhängigen Haushaltskommission der Regierung.
Der Schatzkanzler versprach, die Wirtschaft auf der Insel „widerstandsfähig“ zu machen. Das Brexit-Votum werde „den Lauf der britischen Geschichte ändern“. Es sei nun „dringender denn je“ nötig, die hartnäckigen ökonomischen Schwächen des Landes zu bekämpfen. Die Regierung will deshalb in den kommenden fünf Jahren insgesamt 23 Milliarden Pfund investieren, um die „schockierend schlechte“ Arbeitsproduktivität zu verbessern. Die Produktivität – also die Arbeitszeit, die nötig ist um ein Produkt herzustellen – ist eine entscheidender Faktor für die langfristige Wohlstandsentwicklung. Fachleute weisen seit langem darauf hin, dass Großbritannien gegenüber Deutschland, Frankreich und anderen Industriestaaten einen großen Rückstand hat.
Die Sanierung des Staatshaushalts schiebt die Regierung dagegen auf die lange Bank: Hammonds Vorgänger George Osborne wollte eigentlich bis Ende des Jahrzehnts das Haushaltsloch komplett schließen. Der neue Schatzkanzler, der seit dem Sommer im Amt ist, sagte dagegen am Mittwoch, ein Überschuss soll nach 2020 und „so früh wie dies praktikabel ist“ erreicht werden. Allein im laufenden Haushaltsjahr rechnet Hammond mit zusätzlichen Schulden von 68 Milliarden Pfund und damit knapp 13 Milliarden mehr als im Frühjahr erwartet. Mit einer Neuverschuldung von 3,5 Prozent der Wirtschaftsleistung zählt Großbritannien zu den Industrieländern mit den größten Haushaltslöchern.
Das größere Defizit lässt den staatlichen Schuldenberg weiter wachsen: Die Regierung erwartet, dass der Schuldenstand binnen fünf Jahren um 227 Milliarden auf 1,925 Billionen Pfund wächst. Im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung soll die Staatsschuld von 84 Prozent im vergangenen Jahr bis 2018 auf mehr als 90 Prozent steigen. „Wir haben uns entschlossen, Schulden zu machen, um zu investieren“, sagte Hammond.
Der Schatzkanzler bekräftigte zugleich die umstrittenen Pläne zur Steuerentlastung von Unternehmen: Wie im vergangenen Jahr angekündigt, sollen der Unternehmenssteuersatz in den kommenden Jahren von derzeit 20 auf 17 Prozent gesenkt werden. Damit hätten die Briten die niedrigsten Unternehmenssteuern unter den 20 führenden Industrie- und Schwellenländern (G20). Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble hat die Pläne der Briten diese Woche heftig kritisiert und vor einer Abwärtsspirale in der internationalen Unternehmensbesteuerung gewarnt. Hammond kündigte am Mittwoch zugleich an, eine Reihe von legalen Steuerschlupflöchern für Unternehmen zu schließen.
Die Regierung will außerdem Geringverdienern helfen. So kündigte der Schatzkanzler an, der gesetzlich festgeschriebene Mindestlohn werde im April 2017 um 30 Pence auf 7,50 Pfund steigen. Hammond hält damit an den Plänen seines Vorgängers Osborne fest, die allgemeine die Lohnuntergrenze schrittweise nach oben zu setzen.