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Veraltetes Modell : Plötzlich verdreifacht sich die Grundsteuer

Die Länder ringen seit mehr als einem Jahrzehnt um eine Neuregelung der Grundsteuerberechnung. Es gibt das „Nordmodell“ (aktuelle Werte), das „Südmodell“ (pauschale Bewertung anhand der Flächen) und ein Kompromissmodell (Grundstück nach Bodenwert und Gebäude wertunabhängig). Weil man sich nicht einigen kann, sind Fiskus und Steuerzahler in einer Welt von gestern gefangen. Wertverschiebungen etwa infolge von Fluglärmbelastung oder S-Bahn-Anbindung werden ausgeblendet.

Bemessung von Immobilienvermögen ist veraltet

Der Bundesfinanzhof hat vor vier Jahren eine Reform der Grundsteuer verlangt. Bis Anfang 2007 sei die Einheitsbewertung zwar noch verfassungsgemäß, befand er. Das „weitere Unterbleiben einer allgemeinen Neubewertung des Grundvermögens“ sei jedoch mit dem Gleichheitsgebot des Grundgesetzes nicht vereinbar. Solche Urteile gelten als „Appellentscheidungen“, mit denen Gerichte den Gesetzgeber zum Handeln auffordern.

In dem Münchner Entscheid hieß es weiter, es lasse sich nur noch eine „angemessene“ Zeit lang hinnehmen, dass die Bemessung von Immobilienvermögen noch immer auf dem Stand von 1964 festgeschrieben sei. Denn die inzwischen seit mehr als vier Jahrzehnten unveränderte Einheitsbewertung verfehle die Anforderungen an eine realitätsgerechte Bewertung. Der Bundesfinanzhof hält es außerdem nicht mehr für hinnehmbar, dass eine Wertminderung wegen des Alters einer Immobilie ausgeschlossen ist. Darüber hinaus führe das jahrzehntelange Unterlassen einer flächendeckenden Neubewertung zu nicht mehr hinnehmbaren Defiziten beim Gesetzesvollzug.

Vermögenssteuer in anderen Ländern wichtiger

Das Institut der deutschen Wirtschaft spricht sich für eine Reform nach dem „Bodenwertmodell“ aus. Dies sei unter den vier verschiedenen Konzepten der „klare Favorit“, meinen die Kölner Forscher. Hierbei wird die Steuer nur nach dem Bodenwert eines Grundstücks berechnet – unabhängig davon, ob es bebaut ist oder nicht. Weil nicht die Gebäude besteuert würden, seien Investitionen für Eigentümer attraktiver – etwa zur energetischen Modernisierung. Auch erhoffen sich die Ökonomen davon in einigen Ballungsgebieten eine bessere Ausnutzung von Brachflächen und Baulücken.

Hinter dem sich hinziehenden Ringen um die neue Grundsteuer steht letztlich ein Glaubenskampf. Einige Länder wollen an der Wertermittlung unbedingt festhalten, um die Grundlage für eine Wiederbelebung der Vermögensteuer zu erhalten. Zur Begründung wird gerne auf das Ausland verwiesen, wo die Vermögensteuern wichtiger als hierzulande seien. Nach den Zahlen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) ist der Anteil der vermögensbezogenen Steuern am Bruttoinlandsprodukt in Deutschland mit 0,9 Prozent nur halb sie hoch wie im OECD-Durchschnitt.

Doch wie das Bundesfinanzministerium früher einmal ausführte, ist die Grundsteuer in angelsächsischen Ländern höher, weil damit öffentliche Leistungen wie die Abfallentsorgung finanziert werden. In Deutschland werden für solche Aufgaben Gebühren und Beiträge erhoben. Gleichwohl schlägt die OECD Deutschland vor, mit der Grundsteuer mehr Einnahmen zu erwirtschaften, „namentlich durch eine Aktualisierung der Wertansätze“. Doch sagt sie auch, dass der Spielraum für höhere Steuern durch Kommunalgebühren begrenzt ist. Bayern lehnt eine Erhebung nach den aktuellen Werten kategorisch ab. Es würde die Eigentümer und Mieter im Freistaat besonders treffen, da dort die Immobilienpreise in den vergangenen Jahrzehnten besonders stark gestiegen sind.

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