
Strafprozess in München : „Herr Hoeneß, erzählen Sie keinen vom Pferd!“
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Einmal wird es richtig laut. Als Heindl wissen will, welche Rolle für seine angeblich freiwillige Selbstanzeige die Recherchen des Magazins „Stern“ über sein Konto gespielt habe, wiegelt Hoeneß ab. Keine große, behauptet er. Plötzlich haut Rechtsanwalt Feigen mit der Hand auf den Tisch: „Herr Hoeneß, erzählen Sie keinen vom Pferd!“. In Wirklichkeit seien ihm doch damals „die Gäule durchgegangen“, als er von den Recherchen des Journalisten erfahren habe, widerspricht Feigen. Es bleibt nicht das einzige Mal, dass der Verteidiger seinen Mandanten davor bewahren will, sich um Kopf und Kragen zu reden. „Jetzt rede ich!“, unterbricht Feigen ihn wiederholt.
Hoeneß muss Reue zeigen. Und er malt noch einmal das Bild von sich, das lange Zeit sein öffentliches Image ausgemacht hat. Er präsentiert sich als Wohltäter, der Millionen für soziale Zwecke gespendet und noch viel mehr Millionen an Steuern in Deutschland gezahlt habe. Hoeneß stammt aus einer Ulmer Metzgerfamilie, gründete als Dreißigjähriger die Nürnberger Bratwürstchen-Fabrik HoWe Wurstwaren KG und pflegte seither das Image des ehrbaren Kaufmanns. „Dank der Würste“, sagte er einmal, „musste ich auch in schwierigen Zeiten beim FC Bayern nie meinen Charakter an der Garderobe abgeben.“
Wenn Hoeneß von der Anklagebank den Blick zur Decke schweifen lässt, sieht er Reliefbilder des Münchner Bildhauers Robert Lippl. In der Südwestecke zeigt ein Figurenfries zuerst die Hand Gottes, die das Gesetz symbolisiert. Die Motivmalerei setzt sich für Hoeneß wenig erbaulich fort, nämlich mit Flammenschwert, Pflug und Steinen, die die Vertreibung aus dem Paradies und die Arbeit und Sorgen der Menschheit darstellen. Über ehrliche Arbeit hat Hoeneß selbst gern schwadroniert, damals, als er noch gefragter Gastredner bei Banken und Versicherungen war. „Wieder einen Acker pflügen und für die Kühe Futter anbauen. Und nicht darauf spekulieren, ob ich, weil ich 15 Milliarden Bonds habe, am Computer an der 17. Dezimalstelle Geld verdienen kann“, hatte Hoeneß an die Adresse der Finanzjongleure gesagt. Er selbst war jahrelang einer von ihnen, den Zockern, die Tag und Nacht an den Börsen in Hongkong, London und New York mit riskanten Wetten auf Nachkommastellen Millionen bewegten. Er selbst hat so viel gezockt, dass sich allein sein Steuerhinterziehungsbetrag auf 18,5 Millionen Euro summierte.
Staatsanwalt Engel zieht eine vernichtende Zwischenbilanz. Die Anforderungen des Bundesgerichtshofs an eine wirksame Selbstanzeige seien „nicht ansatzweise“ erfüllt. Seit 2003 soll Hoeneß Einkünfte in Höhe von insgesamt gut 33,5 Millionen Euro beim Finanzamt verschwiegen haben. Die Anklage lautet deshalb auf Steuerhinterziehung in sieben Fällen – für jedes Jahr von 2003 bis 2009.
Am Montagnachmittag ist der Justizpalast noch immer von vielen Reportern und Kamerateams umlagert. Frühmorgens hatten sich zwischen der Schar von Journalisten auch zwei Demonstranten aufgebaut und Schilder in die Luft gereckt. „Milde für Uli Hoeneß, er tut so viel Gutes“ stand auf dem einen, „S-Uli-darität“ und „Gute Freunde kann niemand trennen“ auf dem anderen. Es sind kleine Sympathiebezeugungen zweier Bayern-Fans. Hoeneß, so viel steht nach dem ersten Verhandlungstag fest, braucht in diesen Tagen mehr Unterstützung denn je.