Hoeneß-Prozess : Ein Deal ohne Absprache
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Hoeneß-Prozess: Zogen Richter und Verteidiger an einem Strang? Bild: Andrea Koopmann
Es gibt Hinweise darauf, dass es im Hoeneß-Prozess eine Verständigung jenseits des Deals gab. Unser Autor, Fachanwalt für Strafrecht, über die salomonischen Qualitäten des Urteils.
Im amerikanischen Key West kann man T-Shirts kaufen mit dem Aufdruck: „Ein guter Anwalt kennt das Recht, der bessere den Richter.“ Welch tiefer Sinn tatsächlich hinter diesem Spruch steht, hat das Strafverfahren gegen den bisherigen FC-Bayern-Präsidenten Ulrich Hoeneß gelehrt. In den 1980-er Jahren beschrieb ein Kollege, der sich damals hinter dem Pseudonym „Detlef Deal aus Mauschelhausen“ verbarg, ein neues, sich mit Macht entwickelndes Phänomen des Strafverfahrens: Je nach Sichtweise wurde es verharmlosend mit „Verständigung im Strafverfahren“ oder herabsetzend mit „Deal“ bezeichnet.
Der Streit im Gerichtssaal, der Kampf ums Recht wurden nämlich verdrängt durch den Dialog der Wissenden und Profitierenden. Jenseits der Strafprozessordnung entwickelte sich eine blühende, bunte und chaotische Landschaft von Gesprächen, Vermutungen, und Vereinbarungen, die in ihrem Wildwuchs völlig ungeregelt war. Eine Revolution: vom Kampf zum Dialog. Oft wird unterstellt, dass der mit Geld und einem gewitzten Rechtsanwalt versehene Beschuldigte die Vorteile dieses neu entstandenen Dschungels einstreichen würde, zu Lasten der Rechtsordnung.
Verfahren ohne Konfrontation sind möglich
Für die Masse der in einem Strafverfahren Bedrohten stimmt das heute nicht mehr: Die Revolution hat längst ihre Kinder gefressen. Wurde bis in die späten neunziger Jahre die Bereitschaft der Verteidigung, auf Kampf zu verzichten, noch großzügig honoriert, so wird jetzt viel zu oft erwartet, dass sich der Betroffene über seinen Verteidiger dem Dialog stellt. Denn dies gestaltet das Verfahren kurz, handhabbar und unter Arbeitszeitgesichtspunkten effizient.
Und wehe, wenn nicht! Auch wenn die Vereinbarung zum vorherigen Verzicht auf Rechtsmittel schon früh höchstrichterlich und danach auch gesetzlich geächtet war, so ist doch unausgesprochen nach wie vor die Erwartung von Gerichten und Staatsanwaltschaften, dass mit einer Verständigung der Rechtsweg auch bis zu seinem Ende beschritten sein soll.
Was hat das mit dem Hoeneß-Prozess zu tun? Dieser hat gezeigt, dass es eine Verständigung jenseits des Deals gibt. Dass auch im Rahmen der Strafprozessordnung Verfahren ohne Konfrontation möglich sind, mit für den Mandanten optimalen Ergebnissen. Bekannt ist, dass der Vorsitzende Richter dieses Verfahrens wenig im Verdacht steht, der Mauschelei zuzuneigen. Zudem: Jeder Ansatz dazu hätte zu einem öffentlichen Aufschrei geführt, wobei der Jubel der Bayern-Fans wohl vom Getöse aller Anderen deutlich übertönt worden wäre.
Kurzer Prozess
Bekannt ist auch, dass der Verteidiger in diesem Fall nicht nur das gesetzliche Regelwerk kennt, sondern auch die Psychologie solcher Verfahren. Er hat das Signal des Gerichtes offensichtlich gut verstanden. Eine Terminierung auf vier Tage in einem derartigen Verfahren ist ein deutlicher Hinweis: Es soll kurzer Prozess gemacht werden. Vor dem Hintergrund schwierigster Steuerfragen eine klare Ansage in Richtung eines für den Angeklagten akzeptablen Urteils.
Warum? Der Gesetzgeber verlangt, dass im Strafprozess die Wahrheit erforscht werden soll – nicht weniger. Dass dies hier so schnell nicht möglich sein würde, sieht jeder. Die Gefahr, dass ein solch kurzes Verfahren dem Bundesgerichtshof nicht gefallen würde, haben sicher Richter und Verteidiger mit gleicher Deutlichkeit gesehen. Wenn sie dann doch so prozessieren, dann wissen beide um die Angreifbarkeit jedes Urteils, das nicht für alle Seiten erträglich ist.
Also auch für die Staatsanwaltschaft, die mit ihrem kaum wahrnehmbaren Prozessverhalten ein weiteres Signal in Richtung eines unausgesprochenen Konsenses gesetzt hat. Letzte Zweifel an einem stillen Einverständnis hat dann die exponentielle Steigerung der Hinterziehungssumme im Rahmen des Prozesses und deren Hinnahme durch die Verteidigung beseitigt.
Die Einführung von 70.000 neuen Dokumenten hätte in jedem streitigen Verfahren zu einer Aussetzung geführt. Das Urteil hatte damit auch salomonische Qualitäten: Gerade niedrig genug, dass vor dem sicheren Hintergrund eines offenen Vollzugs der Angeklagte auch emotional zustimmen konnte. Als erstes weit publiziertes Urteil ohne Bewährung gegen einen Steuerhinterzieher ein Zeichen, dass Popularität und Reichtum nicht vor Strafe schützt. Und gerade hoch genug, dass die Staatsanwaltschaft nicht in die Revision gezwungen wurde. Hier kannte der Richter eben auch den Verteidiger.
Der Autor ist Gründer von Wessing & Partner.