FAZ.NET-Frühkritik : Auf diplomatischem Parkett
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„Her mit euren Millionen - drücken sich die Reichen?“ war die Sendung von Günther Jauch überschrieben Bild: dapd
Ist das Steuerabkommen mit der Schweiz wirklich tot? Wer Günther Jauch gesehen hat, weiß es immer noch nicht. Dabei debattierten dort nicht nur die üblichen Verdächtigen, sondern zwei Hauptakteure im Kampf um Schwarzgeldmilliarden aus Deutschland.
Das musste einmal klargestellt werden: „Ich bin keine Schweizer Bank, sondern ein Bundesbeamter“, sagte Tim Guldimann, Repräsentant der Alpenrepublik in Deutschland. Und ebenso wenig, so der Botschafter weiter, ein Anwalt von Steuerhinterziehern oder Schweizer Banken. Dennoch zeigte sich Guldimann im Gasometer im Berliner Stadtteil Schöneberg als waschechter Diplomat – unaufgeregt, doch eindringlich warb er für die Position seiner Regierung in Bern, man möge „das Problem“ mit der Steuerflucht und dem Ankauf von CDs mit gestohlenen Bankdaten endlich ein für allemal lösen. Die Jauch’sche Redaktion hatte ihn erst im letzten Moment in die Plauderrunde locken können.
Putzige Mimik und Motorik
Dass sein Erzkontrahent, der nordrhein-westfälische Finanzminister Norbert Walter-Borjans, da wankelmütig werden könnte, war natürlich nicht zu erwarten. Der Sozialdemokrat torpediert das Abkommen, indem er von Kriminellen mehr Angaben über Kontoinhaber kauft denn je. Serienweise. Dabei versuchte Jauch sich mit seiner bekannt putzigen Mimik und Motorik sogar kurzfristig als Mediator auf internationalem Parkett. Immerhin ließ sich der Düsseldorfer Kassenwart so deutlich wie selten entlocken, was für ihn der Knackpunkt an dem internationalen Kontrakt ist. „Ich möchte mir die Ermittlungen nicht aus der Hand nehmen lassen“, verlangte Walter-Borjans. Er schien sympathischer Weise seine Rolle nicht ganz so zu genießen wie sonst viele Talkgäste.
Verhandlungsmasse also für eine weitere Runde von Nachbesserungen am Steuerabkommen? Die Frage verflüchtigte sich allzu schnell – dabei haben die Vereinigten Staaten gezeigt, wie sich der Schweizer Geldtresor knacken lässt. Zu viel hatte der Moderator auf die Tagesordnung gesetzt: Die Forderung der Opposition nach Vermögens- und Reichensteuer sollte gleichfalls ausdiskutiert werden. Bloß eine Neiddebatte – oder Rettung der Demokratie vor einer wachsenden Schere zwischen Armut und Top-Verdienern? Jauch schaffte es immerhin, das Heft in der Hand zu halten: Sein Konzept blieb erkennbar. Und auch die Einspielfilmchen waren nicht so vordergründig-platt und ideologielastig-plump wie bei manch anderen Plaudermeistern im öffentlich-rechtlichen Talkfernsehen.
Fehler im System
Wie so oft im Leben hatte der schweigsamste Gast am meisten zu sagen. Der frühere Steuerfahnder und jetzige Steuerberater Frank Wehrheim sprach aus, wovon nur selten die Rede ist: Ein ewiges Manko ist der Föderalismus, in dem Zuständigkeiten und Anreize verpuffen. „Wir brauchen eine Bundessteuerfahndung!“, sagte der Seitenwechsler aus Hessen.
Wie abgeklärt man sein kann, wenn man zunächst fürs Staatssäckel einen Milliardenbetrag aufspürt und dann Steuersünder verteidigt, zeigte Wehrheims ausgeruht-verschmitzte Auskunft, als Jauch sich nach seinen persönlichen Vermögensverhältnissen erkundigte. „Als Steuerberater verdient man bedeutend mehr als ein Steuerfahnder“, sagte er nach minimaler Bedenkzeit entspannt lächelnd. Waffengleichheit zwischen Staat und Kriminellen sieht freilich anders aus.
Untauglich zum Buhmann
Der einzige Mann ohne Sakko war übrigens ausgerechnet ein Unternehmer: Der Mittelständler Thomas Selter, der es auch sonst verstand, gar nicht erst in die Rolle des Buhmanns zu geraten. Dabei hätte der Eigentümer einer „Strick- und Häkelnadelfabrik“ (Jauch) doch so schön zum Watschenmann für Superreiche und Steuerkriminelle werden können. Zumal er sich in der zweiten Halbzeit als einziger so richtig in Rage redete. „Dumm“ fand er, was Walter-Borjans von sich gab. „Sie haften für gar nichts!“, prangerte der Firmeninhaber die Politikerkaste an – „je mehr Sie einnehmen, desto mehr Schulden machen Sie!“ Doch Selter hatte zuvor so authentisch seine Lage als Steuerbürger und Arbeitgeber geschildert und so abgeklärt seine Ansichten vorgetragen, dass man’s ihm selbst auf der Gegenseite nicht wirklich übel nehmen konnte.
Noch immer ohne Frauenquote
Tja, und dann gab es doch noch zwei der üblichen Dauertalker: Wolfgang Kubicki, Dauerquerschütze in der FDP (und Strafverteidiger gut betuchter Mandanten), und Katja Kipping, eine der beiden neuen Vorsitzenden der Linkspartei. Was nun doch die Frage aufwirft: Wann fordert Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) endlich mal eine Frauenquote nicht für Vorstands- und Aufsichtsratsposten, sondern für Diskussionsrunden im Fernsehen? Zumindest die rotschöpfige Kipping hat ein solches Vehikel allerdings wirklich nicht nötig: Selbst als die Redaktion ihrer Forderung, jedes Monatseinkommen von mehr als 40.000 Euro im Monat komplett wegzubesteuern, ein eigenes Filmchen widmete, ließ sie sich nicht aus der Ruhe bringen. Wenngleich der Steuerfachfrau der Linksopposition mal jemand erklären sollte, dass Lohn- und Einkommensteuer keineswegs zwei ganz verschiedene Paar Schuhe sind.
Mickriger Lohn
40.000 Euro sind für Kubicki übrigens ein so mickriger Lohn, dass er seinem süffisanten Selbstbekenntnis zufolge dann glatt aufhören würde zu arbeiten. So wie der Schleswig-Holsteiner übrigens den Bundesbürgern auch dringend riet, ihr Geld nicht nur bei deutschen Banken anzulegen. Mit markigen Worten wie „Rechtsimperialismus“ und „moralische Impertinenz“ gerierte sich der Freidemokrat auch sonst als berechnender Polarisierer; als Herausforderer selbst des eigenen Parteichefs ist er geübt in solchen Scharmützeln.
Erstaunlich bei dieser Themenfülle blieb nach einer Stunde (und nach der gänzlich unpassenden Überleitung zur Tagesthemen-Moderatorin Caren Miosga), was überhaupt nicht aufs Tapet kam. Welche Folgen hat es eigentlich für die Steuermoral in Deutschland, wenn die Bundesregierung eine halbe Billion Euro ins Feuer wirft, um in angeschlagenen EU-Ländern den Euro zu retten?