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BFH-Präsident warnt : Keine Macht den Programmierern im Steuerrecht

  • -Aktualisiert am
Die elektronische Steuererklärung wird immer beliebter

Die elektronische Steuererklärung wird immer beliebter Bild: ZB

Programmierer dürfen nicht das letzte Wort über die Auslegung von Steuergesetzen haben. Vor dieser Entwicklung warnt der Präsident des Bundesfinanzhofs, Rudolf Mellinghoff.

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          Der Präsident des Bundesfinanzhofs (BFH), Rudolf Mellinghoff, hat davor gewarnt, dass Computerexperten die Herrschaft über die Deutung von Steuervorschriften übernehmen. „Die Programmierung einer Software darf nicht an die Stelle einer Gesetzesauslegung treten“, sagte Mellinghoff auf dem 50. Deutschen Steuerberaterkongress in Berlin. Mit Schrecken erinnere er sich an die mittlerweile abgeschaffte Mindestbesteuerung, die von der rot-grünen Regierungskoalition eingeführt worden war. Die entsprechenden Vorschriften hatten die obersten Steuerrichter vor einem Jahr als dermaßen unverständlich eingestuft, dass sie der Interpretation mehrerer Kläger gegen das Finanzamt recht gaben.

          Zahlreiche Rechenmodelle für Computer hätten damals zu unterschiedlichen Ergebnissen geführt, die angeblich alle dem Gesetzeswortlaut entsprächen, erklärte Mellinghoff. Doch müsse sich die Entscheidung für eine von mehreren Rechenwegen unmittelbar aus der Norm ergeben: „Sie darf nicht voluntativ durch Vorgabe von Computerprogrammen von der Finanzverwaltung angeordnet werden.“ Dies entspreche weder der Gesetzesbindung im Steuerrecht noch dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot.

          Mellinghoff hob zugleich die Bedeutung der elektronischen Datenverarbeitung für einen gerechten Steuervollzug hervor. „Ohne eine moderne Informationstechnologie kann eine gleichmäßige Besteuerung heute nicht gewährleistet werden“, sagte Deutschlands oberster Steuerrichter. Für Steuerberater, Finanzverwaltung und Finanzgerichte führe dies zu erheblichen Veränderungen. Datenschutz, Steuergeheimnis und Gesetzesbindung müssten jedoch beachtet werden.

          Mellinghoff erinnerte daran, dass sein Gericht die Zuteilung einer einheitlichen Identifikationsnummer durch das Bundeszentralamt für Steuern gebilligt hat (F.A.Z. vom 2. Februar). Denn sie diene einem gleichmäßigen Vollzug der Steuergesetze und ermögliche überdies einen „gewichtigen Abbau von Bürokratie“ sowohl bei der Steuerverwaltung als auch in den Unternehmen. Ebenso haben die Münchner Richter die Pflicht von Betriebsinhabern für grundgesetzkonform erklärt, Gewinnermittlungen durch eine Einnahme-Überschuss-Rechnung auf einem amtlichen Vordruck (“EÜR“) abzugeben. Diese Standardisierung führe nämlich zu besseren Kontroll- und Vergleichsmöglichkeiten des Fiskus und trage damit ebenfalls zu einer gleichmäßigen Besteuerung bei.

          Wie sehr die neuen Medien auch die Finanzgerichte beschäftigen, machte Mellinghoff an einem Beispiel deutlich. Kürzlich verhandelten die Richter über die Klage eines Ehepaars, das auf der Internet-Plattform Ebay in einem Jahr mehr als 1200 Gegenstände versteigert hatte. Im Gegensatz zum Finanzamt und dem Finanzgericht in der unteren Instanz deklarierten die Eheleute diese Tätigkeit als privat, um der Umsatzsteuer zu entgehen. Der Bundesfinanzhof will demnächst sein Urteil darüber verkünden. Der Gerichtspräsident machte deutlich, dass die vielleicht spannendere Frage darin liege, welche Auskünfte Finanzämter von Online-Auktions- und -Handelshäusern verlangen könnten.

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