Anwaltskanzleien : BGH hält Sozietätsverbot mit Ärzten für verfassungswidrig
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Anwälte dürfen sich mit Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern zusammentun, nicht aber mit Ärzten, Apothekern oder Architekten. Verfassungswidrig, meint der BGH.
Der Bundesgerichtshof hält das Verbot für Anwälte, sich mit Ärzten oder Apothekern in einer gemeinsamen Sozietät zusammenzuschließen, für verfassungswidrig. Der Gesellschaftsrechtssenat hat deshalb das Bundesverfassungsgericht eingeschaltet. Die obersten Zivilrichter fahren schweres Geschütz auf: Sie sehen in der entsprechenden Regelung in der Bundesrechtsanwaltsordnung (§59a BRAO) einen Verstoß gegen gleich drei Grundrechte - nämlich gegen die Berufs- und Vereinigungsfreiheit sowie das Gleichheitsgebot des Grundgesetzes.
„Interprofessionelle Partnerschaft“
Der Fall betrifft einen Anwalt, der sich mit einer Ärztin zusammentun wollte, die zugleich Apothekerin ist. Beim Amtsgericht Würzburg beantragten sie die Eintragung einer Partnerschaftsgesellschaft mit der Bezeichnung: „interprofessionelle Partnerschaft für das Recht des Arztes und des Apothekers“. Ausdrücklich stellten sie klar, dass die Partnerin mit doppeltem Doktortitel im Rahmen der Kanzlei weder Patienten behandeln noch Medikamente verkaufen wollte.
Doch die BRAO regelt ausdrücklich, dass sich Anwälte nur mit Patentanwälten, Steuerberatern, Steuerbevollmächtigten, Wirtschaftsprüfern und vereidigten Buchprüfern „zur gemeinschaftlichen Berufsausübung“ verbinden dürfen. Zwar fehlt in der Gesetzesbestimmung das Wörtchen „nur“. Aber die Bundesrichter gingen - ebenso wie die meisten Stimmen in der Fachliteratur - davon aus, dass der Bundestag dies eindeutig so gemeint habe, als er im Jahr 1994 das Berufsrecht der Anwälte neu ordnen musste; das Bundesverfassungsgericht hatte zuvor die traditionellen Standesrichtlinien gekippt.
Dadurch sieht der Bundesgerichtshof die Berufsfreiheit verletzt. In die Berufsausübung dürfe schließlich nur eingegriffen werden, wenn dies durch „ausreichende Gründe des Gemeinwohls“ gerechtfertigt und zudem verhältnismäßig sei. Zumal der Anwaltsberuf vom Grundsatz der „freien Advokatur“ gekennzeichnet sei, der einer staatlichen Kontrolle und Bevormundung entgegenstehe. Die Kooperation mit Ärzten und Apothekern zu verbieten, ist aus Karlsruher Sicht vielleicht geeignet, aber nicht erforderlich, um die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege, die Unabhängigkeit des Anwalts und den Schutz der Mandanten zu gewährleisten. Denn bei diesen Kammerberufen seien Verschwiegenheit, Aussage- und Zeugnisverweigerungsrecht, Beschlagnahmeverbot und das Verbot, widerstreitende Interessen zu vertreten, ähnlich garantiert. Zur Not könne man den Heilberuflern als milderes Mittel „Regelungen zum Umgang mit befürchteten Gefahren oder Schulungen zum Erkennen von und Umgang mit Interessenkollisionen“ vorschreiben, betonten die Richter.
„Drei Grundrechte werden verletzt“
Die Vereinigungsfreiheit halten sie ebenfalls für unzulässig eingeschränkt. Den Betroffenen werde verboten, in einer gesellschaftsrechtlichen Verbindung etwas zu tun, was sie „je für sich in einer Person“ durchaus dürften. Denn Mediziner und Pharmazeuten übten „vereinbare Berufe“ aus, wie es im anwaltlichen Berufsrecht heißt. Auch mit dem Gleichheitsgrundsatz stehe das nicht im Einklang. Wenn Juristen sich mit Steuerberatern und Bilanzfachleuten zusammentun dürfen, kann man ihnen dies gegenüber Heil- und Arzneimittelberufen nicht verwehren („gleichheitswidriger Begünstigungsausschluss“).
Sollte der Bundesgerichtshof mit seinem Vorstoß beim Bundesverfassungsgericht Erfolg haben, käme letztlich ein Vorstoß der großen Koalition aus dem Jahr 2006 ins Ziel, den die schwarz-roten Rechtspolitiker wegen des Widerstands aus der Anwaltsbranche wieder hatten fallen lassen. Damals sollte, wie der Zweite Zivilsenat jetzt in Erinnerung ruft, der Kreis der „assoziationsfähigen“ Berufe auf alle „vereinbaren“ Berufe ausgeweitet werden (Az.: II ZB 7/11).