Müllfrei bis 2050? : Das „Recht auf Reparatur“ rückt näher
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Die EU entwickelt einen Plan zur Vermeidung von Müll und zur Schonung natürlicher Ressourcen. Bild: dpa
Die Pandemie verdeutlicht wie groß das Problem der Ressourcen-Verschwendung ist. Die große Mehrheit der Europaabgeordneten sprechen sich daher dafür aus, dass die EU soll bis 2050 weitgehend müllfrei werden soll.
Die Corona-Krise wirft ein Schlaglicht auf die Verschwendung von Ressourcen. Allein in Deutschland werden wegen der Schließung des Einzelhandels momentan 500 Millionen Kleidungsstücke entsorgt, um Platz für die neue Kollektion zu schaffen. Dabei entwickeln sich gerade Textilien neben Elektronik und Verpackungen immer mehr zum Abfallproblem, weil sie – anders als früher – oft von so schlechter Qualität sind, dass sie als Altkleider unbrauchbar sind. Eine halbe Tonne Abfall produziert jeder EU-Bürger im Jahr. Insgesamt fallen in der EU 2,5 Milliarden Tonnen Müll an. Das Europäische Parlament fordert deshalb, dass die Europäische Union bis 2050 eine CO2-neutrale, nachhaltige, giftfreie und geschlossene Kreislaufwirtschaft schaffen soll.
Die Europaabgeordneten votierten mit einer großen Mehrheit von 574 Stimmen bei 22 Gegenstimmen und 95 Enthaltungen für ein umfangreiches Paket an Schritten, um die Verschwendung von Ressourcen zu reduzieren und die Lebensdauer von Produkten zu erhöhen. Dazu gehört ein neues „Recht auf Reparatur“. Es soll insbesondere für Haushaltsgeräte und Unterhaltungselektronik gelten und die Hersteller dazu bewegen, stärker auf die Haltbarkeit ihrer Produkte zu achten. Das Parlament reagiert damit auf den – unbelegten – Verdacht, dass die Industrie gezielt Schwachstellen einbaut, damit Geräte früher kaputtgehen. Auch der Austausch von Akkus in Handys soll problemlos möglich sein. Der Europaabgeordneten der Grünen Anna Cavazzini schweben sogar Smartphones vor, in denen etwa allein die Kamera durch ein besseres, neues Modell ersetzt werden kann, statt dafür ein neues Handy kaufen zu müssen.
Ein digitaler Produktpass soll nicht nur Auskunft über die Möglichkeit einer Reparatur, sondern auch über den sozialen und ökologischen Fußabdruck geben sowie eine Rückverfolgung der Lieferkette ermöglichen. Zudem soll die Ökodesign-Richtlinie, auf deren Grundlage die klassische Glühbirne verboten wurde, noch in diesem Jahr ausgeweitet werden, etwa auf Textilien, und Mindestanforderungen für die Haltbarkeit oder Wiederverwertbarkeit vorgeben. Sie soll künftig auch Vorgaben für die Konstruktion von Geräten machen, damit Rohstoffe leichter wiedergewonnen und die Geräte leichter auseinandergebaut und damit repariert werden können. Bis zu 80 Prozent der Umweltauswirkungen von Produkten würden beim Design festgelegt, betont das Parlament. Deshalb gebe es hier großes Potential. „Die deutsche Diskussion dreht sich immer noch zu sehr um reine Recyclingziele“, sagt Cavazzini. Aber auch das EU-Parlament fordert höhere Recyclingziele.
Für Liberale und Christdemokraten geht es bei der Kreislaufwirtschaft vor allem um die wachsende Knappheit an Ressourcen und Chancen für die Industrie. „Wir müssen das Wachstum von der Nutzung primärer Ressourcen entkoppeln und den Ressourcenverbrauch verringern“, sagt die FDP-Abgeordnete Svenja Hahn. Bislang stammten nur zwölf Prozent der eingesetzten Rohstoffe aus recycelten Materialien. Um einen Anstieg zu ermöglichen, müssten aber auch die Qualitätsstandards für Sekundärrohstoffe auf ein vertrauensvolles Niveau angehoben werden, betonen die beiden EU-Abgeordneten Christian Doleschal (CSU) und Hildegard Bentele (CDU). Welche der Forderungen des Europaparlaments umgesetzt werden, liegt nun in der Hand der Europäischen Kommission. Nur sie kann nach den EU-Verträgen Gesetzesvorschläge vorlegen. Der zuständige Kommissar, Frans Timmermans, hat aber schon klargemacht, dass er etwa das „Recht auf Reparatur“ und die Ausweitung der Ökodesign-Richtlinie vorschlagen will. Die Bundesregierung hat unterdessen am Mittwoch eine Pflicht zur Kennzeichnung von Artikeln aus Einwegkunststoff beschlossen. Hygieneprodukte, Zigaretten und To-go-Becher müssen von Juli an auf einem Label kenntlich machen, dass sie Plastik enthalten.