Rausch und Reue (4) : Wirren um Wella
- -Aktualisiert am
Marktführer in den Friseursalons Bild: picture-alliance/ dpa/dpaweb
Procter & Gamble ging es um den Kauf der Marke Wella, deren Eigentümern ging es um viel Geld, als das Unternehmen den Besitzer wechselte. Die Einverleibung durch die Amerikaner hat viele Arbeitsplätze gekostet und manchen Manager vertrieben.
Mit beachtlicher Weitsicht hat der Friseur Franz Ströher vor mehr als hundert Jahren sein unternehmerisches Erbe geregelt. „Die Familie darf Geld haben, aber keinen Einfluss“, soll er seinen Nachfahren sinngemäß mit auf den Weg gegeben haben. Doch die hielten sich nicht daran, wollten beides und verkauften schließlich ihr Erbe, das unter dem Namen Wella weltbekannt wurde. Vor vier Jahren kassierten sie rund 3,2 Milliarden Euro. Heute gehört Wella zu Procter & Gamble, vom Traditionsunternehmen Wella blieb nur die Marke übrig.
Welcher der zahlreichen Erben, die zusammen 78 Prozent der Wella-Stammaktien besaßen, den Verkauf voran- oder hintertrieb, ist bis heute nicht restlos geklärt. Nur einer äußerte sich öffentlich. „Ich habe nicht zu den Hauptbetreibern des Wella-Verkaufs gehört“, sagte Immo Ströher der F.A.Z. im Jahr 2003. Er machte später als Investor bei Solarunternehmen wie Solon und Q-Cells von sich reden. Ausgerechnet ein eingeheirateter Schwiegersohn, Ulrich Ströher, geborener Fette, ein gelernter Krankenpfleger, soll es gewesen sein, der bis zuletzt auf die Fortführung des Erbes gepocht haben soll. Genauso glaubwürdig wird allerdings auch das Gegenteil erzählt.
Harmoniebedürftiger Strippenzieher
Klar ist, bei vielen der Nachkommen Ströhers war die Dividende die einzige Verbindung zum Unternehmen. Das war ganz im Sinne des Gründers. Doch einige aus der Familie wollten mehr, was der Wella-Gründer bekanntlich nicht geplant hatte. Die vier größten Familienanteilseigner saßen im Beirat. Dort hatten sie zuletzt das Sagen – auch am Aufsichtsrat vorbei. So wurde dem gesetzlichen Aufsichtsgremium der Verkauf nur mitgeteilt.
Das war nicht immer so. Jahrelang die wichtigste Person im Aufsichtsrat und auch im Verhältnis zwischen den vier Familienstämmen war der ehemalige Wella-Chef Karl Heinz Krutzki. Er war der erste Aufsichtsratsvorsitzende, der nicht zur Gründerfamilie gehörte. Krutzki verstand es, die Familien als Eigentümer beim Unternehmen zu halten, bewahrte aber gleichzeitig das Unternehmen vor ambitioniertem Einfluss aus der Familie, ganz im Sinne des Gründers. Doch das änderte sich rasch, als Krutzki, der harmoniebedürftige und allseits geachtete Strippenzieher, den Aufsichtsrat im Mai 2001 aus Altersgründen verließ.
Strategische Weiterentwicklung gehemmt
Kaum war dessen ordnende Hand weg, kam es zu ersten ernst zu nehmenden Verkaufsgerüchten. Die Uneinigkeit mündete schließlich in einer Familienvereinbarung, in der eine prinzipielle Verkaufsbereitschaft aller festgeschrieben war. Der Einfluss der Ströherschen Nachkommen lähmte zwar nicht das Alltagsgeschäft, doch verhinderten sie die strategische Weiterentwicklung von Wella. Bei einer eigenständigen Zukunft, mit oder ohne Partner, hätten die Familienaktionäre wohl selbst investieren müssen. Das galt vor allem für das Einzelhandelsgeschäft, in dem Wella alleine zu klein war. Die Aussicht auf Investitionen in Wella war vielen Anteilseignern zu viel, einige brauchten eher Geld, als dass sie es ausgeben konnten. Und so ging die Unternehmensgeschichte von Wella zu Ende, nur zwei Jahre, nachdem die Familie den vom Gründer gefürchteten Einfluss hatte.