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Psychiater Christian Dogs : „Rennt nicht sofort zum Therapeuten!“

Viel Geld, riesige, schicke Villa. Er tourt karrieremäßig irgendwo umher, ist immer unterwegs, sie allein zu Hause mit den Kindern, völlig frustriert. Da wird nicht mehr kommuniziert.

Die kommen zur Paartherapie?

Nein, er kommt wegen des Stresses auf der Arbeit. Ich frage ihn dann, wie es zu Hause läuft. Da fahren sie alle auf: Zu Hause ist alles super. Super Kinder, super Ehefrau.

Was nicht stimmt.

Manager lügen dir die Hütte voll, aber das ist die Lüge, die ich am häufigsten höre. Nach zwei, drei Sitzungen bitte ich die Frau dazu und frage sie, wie es ihr geht. Beschissen, sagt die. Und er: Aber Schatz, wie kannst du das sagen? Der merkt gar nichts mehr.

Was soll er machen, wenn er beruflich viel unterwegs sein muss?

Nach Hause gehen, so oft er kann. Muss er abends noch an der Bar sitzen? Muss jedes Geschäftsessen wirklich sein? Partnerschaften und Freundschaften sind das Wertvollste, was wir haben. Die gehen in die Brüche, wenn wir uns keine Zeit nehmen, um zusammen sinnvolle und schöne Dinge zu unternehmen. Auch Kinder beanspruchen Zeit. Sonst bricht die Familie auseinander. Das weiß ich aus eigener Erfahrung.

Wir klotzen rein bis zum Umfallen, bis die Familie kaputt ist. Warum?

Wir sind alle endorphinabhängig. Und Anerkennung, Macht, Erfolg sind unglaubliche Endorphinbildner. Je mehr Sie hatten, desto mehr wollen Sie.

Woran merkt man, dass die Ehe zerbrochen ist?

Ich frage die Paare, was sie noch verbindet. Was sie am anderen schätzen. Wie sie sich das zeigen. Da kommt meist nicht viel. Oft reden die Paare seit Jahren nicht miteinander, fressen alles in sich rein. Die Dialoge laufen so ab: Du hast doch was! Nein. Doch, ich merk’s doch. Ach, du weißt schon ... Nein, keine Ahnung. Na, denk doch mal an letzten Sommer . . . Fürchterlich! „Ostfriesische Schweigetage“ nenne ich das.

Was raten Sie dem Paar?

Sagen Sie, was Sie stört und was Ihnen gefällt. Hauen Sie auf den Tisch, wenn nötig, das ist so befreiend! Und freuen Sie sich auf die Versöhnung. Jeder nimmt eine Situation unterschiedlich wahr. Und jeder hat mit seiner Wahrnehmung recht. Das gilt es zu akzeptieren.

Können Paare Ihnen etwas vormachen?

Ich begleite die Manager für zwei, drei Tage ins Büro, um sie dort zu beobachten, und auch nach Hause. Da spüre ich es sofort, die Anspannung, die aufgestaute Wut, diese Sticheleien. Letztens waren wir bei so einem Paar zum Abendessen eingeladen. Alles perfekt, toll gekocht, dann haben sie nur aufeinander rumgehackt. Da habe ich gesagt: „Eure Probleme müsst ihr nicht vor Publikum austragen“, und bin gegangen.

Die hatten wahrscheinlich auf Hilfe von Ihnen gehofft.

Einem Therapeuten erzählt jeder seine Geschichten, so wie jeder einem Hautarzt seine Pickel oder Leberflecken zeigt. Da sage ich gleich: Kommt zu mir in die Praxis, da höre ich mir den Mist für 250 Euro die Stunde an.

Stolzer Preis.

Bei Top-Managern nehme ich 500 Euro. Jeder Manager ist ein Narzisst, der muss Sie erst mal ernst nehmen. Wenn ich höre, was Berater, Rechtsanwälte oder Notare abrufen, finde ich meinen Stundensatz nur gerechtfertigt. Ein paar schwierige Fälle behandle ich umsonst.

Wen?

Menschen, die kein Geld haben, aber so schwer gestört sind, dass sie andere überfordern. Eine davon hat eine Borderline-Störung, da weißt du nie, was sie sich antut. Die klettert auf Strommasten, läuft nachts mit einem Strick um den Hals in den Wald. Ich kann damit ganz gut umgehen.

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