Proteste vor der EZB : Lagardes Begrüßungskomitee
- -Aktualisiert am
Als Schmetterling verkleidet ist diese Frau der Protestbewegung „Extinction Rebellion“. Bild: dpa
Zum offiziellen Amtseintritt der neuen EZB-Chefin Christine Lagarde haben Klima-Aktivisten und Globalisierungskritiker in Frankfurt gegen die Zentralbank demonstriert. Die Französin war aber gar nicht da.
Mehrere politische Gruppierungen hatten sich das Datum ihres Antritts zum Anlass genommen und sich vor dem EZB-Turm im Frankfurter Ostend versammelt, um ihr direkt einige Forderungen mit auf den Amtsweg zu geben. Unter den etwa 150 bis 200 Protestierenden waren unter anderem die Klimabewegung Fridays for Future, die Gruppierung Extinction Rebellion und die globalisierungskritische Organisation Attac vertreten.
Besonders letztere macht immer wieder durch öffentlichkeitswirksame Aktionen auf sich aufmerksam. Auch für diesen Anlass hatte sie etwas vorbereitet: Eine Aktivistin hatte sich im Nieselregen vor der nebelumhüllten EZB eine Lagarde-Maske aufgesetzt und musste sich zwischen zwei großen Einkaufstüten entscheiden; einer mit ökologischen Produkten und einer anderen mit umweltschädlichen. Die Aktivisten riefen ihr aus dem Hintergrund immer wieder zu, nach welcher Tüte sie greifen sollte.
Nach der echten Christine Lagarde suchte man jedoch vergebens. Ihr erster richtiger Arbeitstag wird erst am kommenden Montag sein. Da in einigen Ländern in Europa der 1. November ein Feiertag ist, hatte die Belegschaft am Freitag frei. Die vermutlich freundlichere Willkommensveranstaltung wird die neue Chefin der Europäischen Zentralbank in der nächsten Woche erwarten. Ob die Teilnehmer denn wüssten, dass Lagarde heute gar nicht wirklich da sei? Schließlich lief die Protestaktion auch unter dem Motto: „Bienvenue Christine Lagarde“. Solche Aktionen seien immer symbolisch, antwortete der Aktivist Niko. Ob sie da sei oder nicht, spiele keine Rolle. Zu Lagardes konkreten Plänen könne er nichts sagen. Begeistert wäre er aber davon, wenn sie sich mit den Demonstrierenden zusammensetzen würde. Es gehe ihm auch nicht um schlichte Kapitalismuskritik, sondern um ein faires System. Für normale Bürger wirke so etwas wie die Senkung des Leitzinses wie ein „halbgöttliches System“.
Von den Protestlern, die man zu konkreten Forderungen an die neue EZB-Chefin befragte, konnten oder wollten sich viele nicht äußern. Man kenne sich einfach nicht so gut mit dem Thema aus, wichtig sei aber, das Bewusstsein zu stärken.
Konkretere Forderungen zur Geldpolitik wurden dagegen bei Attac laut. Hajo Köhn kam etwa auf das Anleihekaufprogramm der EZB zu sprechen. Die Forderung, den sozialen und ökologischen Aspekten mehr Gewicht bei der Auswahl von Unternehmensanleihen beizumessen, sieht Köhn nicht etwa als Missachtung der Marktneutralität, zu der sich die EZB verpflichtet fühlt. Schließlich sei der Kauf von Unternehmensanleihen schon per se eine Einmischung in die Marktneutralität. Das System unterstütze große Unternehmen und schon bestehende Märkte – der Bäcker von nebenan begebe eben keine Unternehmensanleihe. Man müsse daher neben der Geldpolitik auch über die „Kreditschiene“ stärker kleinere Unternehmen unterstützen. Zudem gebe es schon einen Kriterienkatalog, welche Anleihen man kaufen dürfe. Neben den quantitativen Punkten müssten qualitative eine stärkere Rolle spielen. Von Lagarde erhoffe er sich mehr Transparenz und dass sie Dialog zu den Bürgern suchen werde. Er habe gehört, dass sie schon Deutsch lerne – das halte er für äußerst sinnvoll.